Anfangs jeden Baum gezählt

Und um den Namen Waldfelden gab es sowieso Streit – Blick auf 40 Jahre Fusion

ALLES ANDERE als ein freiwilliger Zusammenschluss: Im Rathaus Walldorf ist die Ausstellung „40 Jahre Fusion Mörfelden und Walldorf“ zu sehen, die auch den Protest der Bevölkerung beleuchtet. (Foto: Schwappacher)

Mörfelden-Walldorf. Warum eigentlich Waldfelden und nicht Mördorf? Letztlich hätte es 1977 wohl keinen Unterschied gemacht und für ebenso viel Protest gesorgt. So stand am Anfang der Fusion von Mörfelden und Walldorf ein heftiger Streit um den ungeliebten Namen Waldfelden. Ein Jahr sollte er gültig bleiben, dann kam die Umbenennung.

„Man hatte das Gefühl, in Wiesbaden ist der Name ausgewürfelt worden“, meinte Walter Keber, der anlässlich des 40-jährigen Fusionsjubiläums eine Gesprächsrunde im Rathaus Walldorf moderierte. In der lokalen Volksseele sei das ungewollte Zusammengehen tief verwurzelt, berichtete Keber. Als Journalist warf er lange Jahre einen Blick auf Mörfelden-Walldorf und führte entsprechend fachkundig durch das von der Stadt organisierte Gespräch.
Der damals aufgekommene Ärger ist weitgehend verraucht, allerdings brauchte es dafür einige Zeit, wie Bürgermeister Heinz-Peter Becker (SPD) sagte. In den ersten 15 bis 20 Jahren hätte einige extrem genau hingeschaut und etwa gezählt, wie viele Bäume man anpflanzte. Was in Walldorf in die Erde kam, forderte man prompt auch für Mörfelden.
Als eine natürliche Entwicklung beschrieb Hans-Jürgen Vorndran (SPD) die Fusion. Der einstige Erste Stadtrat erinnerte daran, dass die selbstständigen Städte etwa bei VHS und Musikschule schon kooperierten. Wichtig für das Zusammenwachsen sei schließlich die gemeinsame Gesamtschule gewesen.
Wären Mörfelden und Walldorf allmählich in einer Stadt aufgegangen, hätte sich wohl nicht so viel Protest geregt, meinte Rudi Hechler (DKP), der damals die Initiative „Mörfelden bleibt“ mit ins Leben rief. Dass sich tausende Menschen mit der Fusion beschäftigten, habe der politischen Kultur gutgetan und das Demokratieverständnis befördert.
Wie weit die Ablehnung reichte, berichtete Brigitte Schlüter (FDP). Auf ihre Post ließ sie nie Waldfelden schreiben, weshalb viele Briefe erst gar nicht ankamen. Auch Dirk Treber (Grüne) sträubte sich gegen die Fusion. „Ich konnte die Argumente nicht nachvollziehen.“ Als es dann doch so weit war, bekam er bei seinem Ferienjob als Postbote Probleme mit den doppelten Straßennamen, die für Verwirrung sorgten. Auch als sie ersetzt wurden gab es freilich Unmut.
Als sich vor Ort eine Mehrheit für den Namen Mörfelden-Walldorf abzeichnete, musste noch die Landesregierung überzeugt werden. Hier stellte man sich quer und behauptete, der Name sei zu lang für Computersysteme und Formularspalten, erzählte Leonhard Peez (CDU). Als bei einem Treffen in Wiesbaden wieder einmal dieses Argument fiel, habe man laut auf den Tisch gehauen und die Vertreter der Landesregierung zurechtgewiesen.
Von einer großen Rivalität sei kaum noch etwas zu spüren, meinte der Vorsitzende von Rot-Weiß Walldorf, Manfred Knacker. Nach einem Fußballderby schüttele man sich heute freundschaftlich die Hand. Ein wenig „Futterneid“ gebe es aber noch immer, zumindest wenn es um Zuschüsse gehe, ergänzte der SKV-Vorsitzende Richard Krichbaum.
Warum es überhaupt zu der Fusion kam, schilderte Bürgermeister Becker. Die Landesregierung habe auf professionellere Verwaltungen gesetzt und wollte die Wirtschaftspolitik voranbringen. Statt einer Vielzahl kleiner Gemeinden – in den 70er Jahre lebten in 90 Prozent der Kommunen weniger als 3000 Einwohner – setzte Wiesbaden auf große Verwaltungsbezirke.
Für den Kreis Groß-Gerau bedeutete dies nur noch 14 statt 25 Kommunen und einen Verlust von Gemeindeland, das an Frankfurt ging und für den Bau des Flughafens benötigt wurde, berichtete Becker. Für die ungeliebte Fusion von Mörfelden und Walldorf habe man sich vor allem entschieden, um eine drohende Eingemeindung durch Frankfurt abzuwehren.
Musikalisch begleitete der Gospelchor Walldorf die anekdotenreiche Veranstaltung. Wer mehr über die Geschichte des Zusammenschlusses erfahren möchte, kann noch bis zum 1. Dezember die Ausstellung „40 Jahre Fusion Mörfelden und Walldorf“ im Rathaus Walldorf besuchen. (seb)

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