Aggressionsobjekt und Klagemauer

Ausstellung: Journalist Walter Keber dokumentiert die Geschichte der Startbahnmauer

ETWA 100 FOTOGRAFIEN hat Walter Keber für seine Ausstellung „Die Geschichte der Startbahnmauer“ zusammengestellt. Zu sehen sind die Bilder bis Mitte März im Rathaus Walldorf. (Foto: Schwappacher)

Mörfelden-Walldorf (seb). Als feststand, dass die Mauer um die Startbahn West durch einen modernen Sicherheitszaun ersetzt wird, kam Walter Keber seiner selbst gewählten Chronistenpflicht nach. Der Journalist im Ruhestand lief das rund sechs Kilometer lange Bauwerk ab und dokumentierte es ein letztes Mal fotografisch. Zusammen mit Bildern aus seinem umfangreichen Archiv präsentiert er diese Aufnahmen nun im Rathaus Walldorf.

„Die Geschichte der Startbahnmauer“ lautet der Ausstellungstitel, zu sehen sind rund 100 Motive. Der Großteil ist in den ersten Monaten und Jahren nach dem Mauerbau entstanden. 1981 wurde der Schutzwall hochgezogen, um dem Protest eine klare Grenze zu setzen. Wie wenig man sich davon beeindrucken ließ, macht die Ausstellung deutlich. Gleichzeitig unterstreicht sie die Breite der Protestbewegung. 
Vermummte Demonstranten bearbeiteten die Mauer damals mit Hämmern, Pickeln und Baumstämmen. Die Polizei antwortete mit Wasserwerfern und Tränengas. Solche Szenen sind tief im kollektiven Gedächtnis der Region verwurzelt, stehen aber nur für einen Teil der Proteste entlang der Mauer. So sind auf anderen Bildern entschlossene ältere Damen zu sehen, die friedlich gegen den immensen Waldverlust demonstrierten. Auf anderen Fotografien sind ein Auftritt mit Akustikgitarre und Sonntagsspaziergänger festgehalten. 

Slogans und Sprüche machten Mauer zu riesiger Wandzeitung 

Das Bauwerk aus Beton war Aggressionsobjekt wie Klagemauer, schreibt Walter Keber treffend auf den ersten Ausstellungswänden. So zierten unzählige Slogans und Sprüche die Mauer, was sie zu einer riesigen Wandzeitung machte. Er selbst sei kein grundsätzlicher Gegner des Flughafens, sagte Walter Keber in seiner Eröffnungsrede. Wirtschaftlich betrachtet sei der Flughafen ohne Zweifel wichtig für die Region. Doch habe sein Wachstum längst das Maß des Erträglichen überschritten. So erinnerte der Chronist daran, dass es nach dem Bau der Startbahn geheißen habe, es falle kein Baum mehr. Heute wisse man längst, dass der Ausbau eine unendliche Geschichte sei.
Auf die Historie der Flughafenerweiterungen ging Bürgermeister Heinz-Peter Becker ein. Dabei spannte er einen Bogen von 1962, als Planungen für die Startbahn anliefen, bis zu den jüngeren Ausbauprojekten. „Der Bau der Startbahn konnte nicht verhindert werden. Aber Hessen hat sich verändert“, stellte er heraus. Der breite Protest habe dem Widerstand gegen die Atomkraft sowie der Friedensbewegung einen Schub gegeben. Gleichzeitig sei eine neue Form des Umweltbewusstseins entstanden, sagte Heinz-Peter Becker.

Erster Stadtrat wird bei Grußworten unterbrochen

Auch Erster Stadtrat Burkhard Ziegler begrüßte die Ausstellungsbesucher, doch wurde er wiederholt unterbrochen. „Hängt die Schilder wieder auf“, rief Rudi Hechler von der DKP, woraufhin es unruhig wurde und zahlreiche Besucher laut applaudierten. Gemeint waren die einstigen Transparente an städtischen Gebäuden, auf denen sich gegen den Flughafenausbau ausgesprochen wurde. Die Schilder mit Forderungen nach einem Nachtflugverbot von 22 bis sechs Uhr und einem Ausbaustopp wurden auf Antrag der Koalition aus SPD, Freien Wählern und FDP abgehängt. Damit sei man der Protestbewegung in den Rücken gefallen, war von Besuchern zu hören. Burkhard Ziegler hatte es schwer, sich akustisch durchzusetzen und brach seine Begrüßung schließlich ab.
Musikalisch umrahmte Liedermacher Harald Pons die Vernissage. Eine Kurzgeschichte und Gedichte trug Siggi Liersch vor. Walter Keber sieht seine Ausstellung als Vorspiel zur anstehenden Einweihung eines Mauerdenkmals. Elemente des abgerissenen Betonbauwerkes werden am 17. März an der Hüttenkirche offiziell übergeben. Einen Teil der Fotos in seiner derzeit im Foyer des Rathauses Walldorf zu sehenden Ausstellung „Die Geschichte der Startbahnmauer“ wird Keber zur „Halbzeit“ dieser bis zum 11. März laufenden Präsentation durch andere Bilder zum Thema ersetzen und ergänzen. So soll ein zusätzlicher Anreiz zum auch erneuten Besuch der Ausstellung und damit Abwechslung geschaffen werden. Der Wechsel erfolgt am 27. Februar.

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