„Ich wollte immer für jedermann da sein“

Der engagierte Kelsterbacher Heinrich Hoffmann wird am Freitag 90 Jahre alt

EIN KELSTERBACHER URGESTEIN: Heinrich Hoffmann feiert am morgigen Freitag seinen 90. Geburtstag. (Foto: Scherer)

Kelsterbach. Ohne Heinrich Hoffmann wäre die Kelsterbacher Vereinswelt sicher um einige Vereine ärmer. Er ist nicht nur engagiertes Mitglied in zahlreichen Vereinigungen, einige davon hat er sogar mit gegründet. Auch für die Völkerverständigung und das Miteinander hat er sich eingesetzt – und tut es bis heute. Am morgigen Freitag, dem 27. Januar, feiert Heinrich Hoffmann seinen 90. Geburtstag.

„Das kann ich eigentlich selbst noch gar nicht begreifen“, sagt Hoffmann über seinen Jubeltag. Geboren wurde der Ur-Kelsterbacher in einer „sehr kalten Nacht“ in einer Wohnung über dem ehemaligen Schuhhaus Zulauf in der Mainzer Straße. Den Großteil seiner Kindheit verbrachte er im Unterdorf. Dort lebte er mit seinen Eltern Karl und Jakobine Hoffmann sowie den beiden jüngeren Brüdern Andreas und Karl bei den Großeltern in der Friedhofstraße.
„Die Straße hatte damals noch ein besonderes Flair“, erinnert sich Heinrich Hoffmann. Es habe verschiedene Geschäfte, darunter Kohlehandlungen und Wäschereien gegeben. Viele Kelsterbacher Bauernfamilien haben damals noch die Wäsche für Frankfurter Familien erledigt und sich damit ein Zubrot verdient. Als Bub habe er immer den Wäschewagen und den Fuhrwerken der Bauern nachgeschaut. „Das hat sich mir eingeprägt.“
Als er neun Jahre alt war, zog die Familie in die heutige Treburer Straße – damals die erste Straße der neuen Siedlung und noch völlig unbebaut. Auf dem freien Feld konnten die Kinder toben und Fußball spielen. Im Winter fuhr man Schlittschuh auf den umliegenden Baggerseen. Als Hoffmann zwölf Jahre alt war, brach der Krieg aus. Noch heute erinnert er sich daran, wie damals auf dem Marktplatz die Pferde der Bauern vom Militär beschlagnahmt wurden. 
Heinrich Hoffmann, der in der Alten Schule eingeschult worden war und später die Mainschule besuchte, begann 1941 eine Lehre in der Kelsterbacher Bürgermeisterei am Marktplatz. „Mein Bruder Andreas und ich hatten eine Neigung zur Verwaltung“, so Hoffmann. Sein Bruder wurde später Bürgermeister in Riedstadt. Kurz vor Ende der Lehrzeit wurde Heinrich Hoffmann mit 17 Jahren nach Dresden einberufen, um Schlesien zu verteidigen. Dort wurde er beim Einmarsch der Russen verwundet, mit dem Lazarettzug nach Österreich gebracht, wo er 1945 in französische Gefangenschaft kam. Zwei Jahre später gelang ihm die abenteuerliche Flucht zu Fuß und per Bahn. 
1947 arbeitete er wieder bei der Gemeindeverwaltung, zunächst bei der Ausgabestelle für Lebensmittelkarten. Mit dem Umzug der Bürgermeisterei ins Schloss wurde er Standesbeamter. 1961 zog die Verwaltung ins heutige Rathaus, wo Hoffmann als Dezernatsleiter unter anderem für die Pressestelle, das Standesamt und die Personalverwaltung verantwortlich war. Besonders am Herzen lag dem Oberamtsrat die Lehrlingsausbildung. 1989 ging Hoffmann in den Ruhestand.
Geselligkeit und Gemeinschaft waren ihm wichtig und so initiierte er Veranstaltungen wie die Seniorenschifffahrt und die karnevalistische Altenfeier.
In der Nachkriegszeit setzte er sich erfolgreich für den Erhalt der Kerb ein, war Mitbegründer des Handharmonika-Spielrings (HSK) und des Tierschutzvereins. Zudem ist Hoffmann, der von 1968 bis 1998 Vorsitzender des Vereinsrings war, Mitglied im DRK-Ortsverein, beim Volksbildungswerk, der Egerländer Gmoi, der Siedlergemeinschaft und singt im Volkschor und dem Chor der Christuskirchengemeinde.
Hoffmann war am Aufbau der Christuskirchengemeinde beteiligt, lange Jahre im Kirchenvorstand aktiv und hat als Hilfsprediger auch Gottesdienste geleitet. Großen Wert habe er immer auf die Ökumene gelegt, so Hoffmann, dem der Glaube wesentlichen Halt im Leben gibt. Noch immer veranstaltet er in der Gemeinde Tagesausflüge, die offen für alle sind. 
„Ich möchte einfach Menschen zusammenbringen“, betont Hoffmann. Das schaffte er sogar über die Landesgrenzen hinaus. Er war einer der Väter der Verschwisterung mit Baugé-en-Anjou. Hoffmann hatte damals an einer Fahrt der Kreisvolkshochschule Groß-Gerau nach Paris teilgenommen – mit einem Abstecher nach Baugé. 
Das Städtchen und die Menschen dort hätten ihm so gut gefallen, dass er dem Magistrat eine Partnerschaft vorgeschlagen habe, so Hoffmann. Ins Rollen gebracht wurde die Partnerschaft gemeinsam mit vielen Beteiligten, darunter Ehrenstadtrat Bernhard Wiegand. Seit 1979 hat die Freundschaft Bestand. „Die Begegnungen sind einmalig“, so Hoffmann. Es sei wichtig gewesen, die Feindschaft zwischen Deutschland und Frankreich nach dem Krieg zu beenden. Dazu habe man aktiv einen Beitrag leisten müssen, sagt Hoffmann.
Auch mit dem österreichischen Klingenbach pflegt er Kontakte, die bei einem Ausflug der Christuskirchengemeinde entstanden sind. In den 80er Jahren unterhielt sogar das Klingenbacher Blasorchester die Besucher der Kerb mit Tamburizzamusik. An die Freundschaft erinnert im Wohngebiet Länger Weg der Klingenbacher Weg. In der Gemeinde im Burgenland gibt es eine Kelsterbacher Gasse.
Einer politischen Partei hat Heinrich Hoffmann nie angehört. „Ich wollte immer für jedermann da sein“, ist seine Maxime.
Den Wandel Kelsterbachs von der Gemeinde zur Stadt hat er miterlebt – manchmal blickt er wehmütig auf die Zeit zurück, als sich noch alle kannten. „Es ist leider unpersönlicher geworden.“ Es sei auch bedauerlich, dass sich immer weniger junge Leute für das Gemeinschaftliche in Vereinen interessierten. „Das schmerzt mich etwas, aber man kann es nicht ändern“, so Hoffmann über die Entwicklung. Trotzdem könnte er in keiner anderen Stadt leben. „Um Gottes Willen“, lacht er, „Kelsterbach ist meine Heimat!“ 
Und so organisiert er weiter seine monatlichen Fahrten. Spaß machen ihm auch Radtouren und die Arbeit in seinem Garten. Nur einen Wunsch hat Heinrich Hoffmann zu seinem Geburtstag: „Dass ich gesund bleibe und meine ehrenamtlichen Aufgaben weiter wahrnehmen kann.“ (nad)

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