Trockenheit setzt dem Stadtwald zu

Jetzt ist die Katastrophe da – Mehrkosten und weitere Baumfällungen drohen

BRAUNE BAUMKRONEN: Schwer zugesetzt haben die lange Trockenheit und Pilzbefall den Kiefern im Kelsterbacher Stadtwald. (Foto: Postl)

Kelsterbach (pos). Schon der letzte Sommer war heiß und trocken. Und auch in diesem Jahr droht wieder eine lange Trockenperiode. Die Folge: Dem Kelsterbacher Stadtwald geht es schlecht, es müssen wieder Bäume gefällt werden, auch steigen die Kosten für die Pflege und Bewässerung.

Egal wohin man derzeit im Stadtwald blickt: Dürre Kiefernwipfel überragen den Waldsaum und an den Rändern stehen vermehrt Buchen mit dürren Blättern und Geäst. „Ja, auch Bäume haben Stress – im vergangenen Sommer ganz besonders und in diesem wird es nicht anders sein“, befürchtet Forstassessor Martin Klepper. Der Leiter des Kelsterbacher Kommunalbetriebs (KKB), der auch für den Stadtwald verantwortlich ist, mag gar nicht mehr nach oben schauen, wenn er auf Kontrollgang ist. Nach den alten Eichen, die in den letzten Jahren mächtig „Stress“ hatten, trifft es nun die Kiefern – aber gleich doppelt hart.

„Das Bild hat sich innerhalb von zwei Wochen total verändert“

Die Wald- und Schwarzkiefer, die einst zur Harzgewinnung für die Chemieindustrie angepflanzt wurde, ist an nährstoffarme Böden und Trockenlagen gewöhnt. Aber nur, wenn sonst keine weiteren Stressfaktoren hinzukommen. Und genau dies war 2018 mit dem Befall vieler Bäume mit dem parasitären Diplodia-Pilz der Fall. Dazu kamen Hitze und Dürre. „Das Bild hat sich innerhalb von zwei Wochen total verändert“, zeigt Klepper in die Kronen eines Altkiefernbestandes. Dort sind teils bereits abgestorbene Baumkronen zu sehen. „Plötzlich gab es hier erste Anzeichen und jetzt ist die Katastrophe da“, beschreibt Klepper die Situation. Im Frühsommer hatte er erste pilzbefallene Bäume markiert, jetzt kann er die ganze Aktion wiederholen, denn es sind viele weitere Bäume krank geworden. In einigen Waldabteilungen sind sogar die meisten Bäume abgängig. Geschwächt wurden die Bäume zusätzlich durch Mistelbefall. 
Eigentlich wollte der KKB die Kiefern sukzessive reduzieren und dafür Laubbäume nachpflanzen – allerdings nicht so radikal wie es jetzt sein muss. In Kürze werden also in zwei Abteilungen der Harvester anrücken und großflächig Bäume gefällt. „Uns tut dieser Eingriff genau so weh, wie den Kelsterbachern, die ihren Wald lieben“, betont Klepper. Freilich könne man die Bäume noch zwei oder drei Jahre stehen lassen, doch dann würden sie zu Brutstätten der Pilze, verweist Klepper auf das Dilemma. Dem Wald setzt zudem die lange Trockenperiode des letzten Sommers zu und auch im Winter fiel nicht genug Regen. Und jetzt ist die nächste Hitzewelle im Anmarsch. „In den Lichtungen sollte junges Laubholz schnell wachsen, doch das Bild ist erschütternd“, zeigt Klepper auf junge Buchen im Unterholz, die nur dürre Blättern haben.
Und auch mächtige Buchen bekommen „Sonnenbrand“: Die Blätter werden dürr und die Rinde platzt auf. „So was habe ich noch nicht erlebt“, zeigt sich der Forstassessor ziemlich hilflos. 

Dürre hat auch finanzielle Folgen

Dazu droht ein finanzieller Verlust, denn der Wald wird ja auch bewirtschaftet. „Nicht nur wir sind davon betroffen“, so Klepper. Auch anderen Wäldern gehe es schlecht, dadurch sei das Holzangebot auf dem Markt sehr groß geworden und die Preise gingen dadurch stetig nach unten. „Für das von Pilzen befallene Holz gibt es ohnehin weniger an Verkaufserlösen.“ Beeile man sich nicht und bringe die Stämme noch einigermaßen verwendbar auf den Markt, gebe es nur noch Brennholz. Auf der anderen Seite steigen die Kosten für die Pflege der Neuanpflanzungen erheblich. „Wir haben einerseits schon eine höhere Pflanzdichte eingebracht, um Ausfälle zu kompensieren. Um aber überhaupt die Jungpflanzen über diesen Extremsommer zu bringen, war ein wesentlich höherer Wässerungseinsatz nötig“, berichtet Klepper.
So schlugen die Wässerungseinsätze, die 2018 von Mai bis September nötig waren, mit rund 100 000 Euro zu Buche. Auch in diesem Jahr werden ähnlich hohe Kosten auf die Stadt zukommen. Von den Wässerungen hätten aber auch die Altbäume profitiert. „Diese zeigen sich jetzt in einem buchstäblich frischen Grün“, sagte Klepper. Und ausgerechnet die Roteiche, die kein standortgerechter Baum ist und eigentlich nach dem Planfeststellungsbeschluss heimischen Bäumen weichen soll, hat bisher alles gut überstanden. 

Etwa 60 Prozent der Alt-Buchen könnten verloren gehen

Gemäß der Forsteinrichtung von 2017 hat die Buche einen Flächenanteil von rund 24 Prozent und ist nach der Eiche (42 Prozent) die zweitwichtigste Baumart noch vor der Kiefer (19 Prozent). Laubbäume wie die Buche, machen 8,3 Prozent aus. Die Buche ist jedoch in höheren Altersklassen (zwischen 100 und 140 Jahren) mit bis zu 56 Prozent an der Bestockung beteiligt. „Ich habe derzeit noch keinen abschließenden Überblick, aber ich schätze dass wir, wenn es so weitergeht, insgesamt 60 Prozent der Alt-Buchen verlieren werden“, befürchtet Klepper. Jüngere Buchen leiden unter dem Wasserentzug bei Überstand durch Altbäume. Etwas Entlastung für die Jungbestände gibt es durch die Entnahme der absterbenden Kiefern, die als Wasserkonkurrent dann ausfallen. Problematisch ist auch die Neuanpflanzung. Kann diese nicht bewässert werden, ist mit einem Ausfall von fast 100 Prozent zu rechnen. Denn wo tief reichende Wurzeln kein Grundwasser mehr finden, haben junge Pflanzen erst recht keine Chance. Wässern könne man aus Wirtschafts- und Kapazitätsgründen nur die Kulturen, sagte Klepper.

Eigene Bewertung: Keine Durchschnitt: 5 (1 Bewertung)

HerunterladenQR Code URL: https://www.freitags-anzeiger.de/35304


X