Der Traum vom Fliegen

Weltgrößte Indoor-Windtunnelanlage für Bodyflying wird in Kelsterbach gebaut

SCHWERELOS IM WINDTUNNEL: Das Risiko wird durch ein Auffangnetz am Boden und Sicherheitsglas minimiert. (Foto: Björn Fritz)

Kelsterbach. Fliegen wie ein Vogel, ganz ohne Hilfsmittel – das soll bald auf dem ehemaligen Enka-Gelände möglich sein. Die Fly Vision GmbH möchte dort auf einem Grundstück einen Windtunnel für Bodyflying und Indoor-Skydiving bauen. Es handelt sich dabei um die weltgrößte Windtunnelanlage, die Besucher aus ganz Deutschland aber auch internationale Gäste anlocken soll.

Das Investitionsvolumen liegt bei insgesamt rund 15 Millionen Euro. Der Spatenstich für den bereits genehmigten Bau soll im Januar stattfinden, die Eröffnung der Anlage ist an Weihnachten 2017 geplant.
Indoor-Skydiving sei eine Sportart, die immer mehr Anhänger finde und unabhängig von der Fitness oder dem Alter der Sportler betrieben werden könne, sagte Alexandra Kolmogorov bei der Präsentation des Projekts im Rathaus. Kolmogorov, selbst Fallschirmsportlerin, hat vor zwei Jahren in Frankfurt die Fly Vision GmbH gegründet und wollte den Windtunnel eigentlich in der Mainmetropole realisieren. Doch dort sei es schwierig gewesen, ein passendes Grundstück für das anspruchsvolle Gebäude zu finden. 
In Kelsterbach dagegen habe man ein Grundstück nah am Ortskern gefunden. Zudem sei das Enkagelände gut an den Flughafen, die Bahn und die Autobahn angeschlossen. „Besser kann man es gar nicht treffen“, freute sich die Geschäftsführerin. 
Deutschland ist laut Kolmogorov zwar der weltgrößte Lieferant für Windtunnel, in Sachen Indoor-Skydiving jedoch ein Nachzügler. So gibt es bisher nur eine Windtunnelanlage in Bottrop. Weltweit sind es bereits 65 Anlagen. Aufgrund der steigenden Beliebtheit des Sports sei es längst überfällig, dass in der Rhein-Main-Region eine Windtunnelanlage entstehe – und jetzt wird es gleich die weltgrößte. 
So ist der gläserne Windkanal, in dem die Besucher frei schweben können, mit einer Höhe von 21 Metern und einem Durchmesser von rund fünf Metern rund einen Meter breiter als alle Tunnel bisher. 
Entstehen soll die Anlage auf einem rund 6000 Quadratmeter großen Grundstück vis-à-vis zum Bäckerladen. Geplant ist ein dreistöckiges Gebäude mit einer großen Glasfront Richtung Fachmarktzentrum. Wie der leitende Architekt Michael Frielinghaus erklärte, befinde sich der Windtunnel im Mittelpunkt des halbrunden Gebäudes und sei von allen Stockwerken einsehbar. Vier Turbinen erzeugen den Wind, der mit bis zu 250 Stundenkilometern durch den Tunnel jagt. Wie Frielinghaus betonte, befindet sich der Großteil der Technik unter der Erde.
Ein technisches Problem gelte es dennoch zu lösen, nämlich die Lärmbelästigung durch die Zu- und Abluft. Die Luft im Windtunnel müsse gekühlt werden, erklärte der Architekt. Durch Öffnungen auf dem Dach könne der Lärm der Anlage nach außen dringen, was vor allem in den Abendstunden problematisch sei. „Derzeit wird geprüft, ob das System auch geschlossen fahren kann“, sagte Frielinghaus. Die Baukosten für das Gebäude liegen derzeit bei rund 7,5 Millionen Euro. Man sei auch zuversichtlich, dass man trotz der nötigen Schallschutzmaßnahmen in diesem Rahmen bleibe, so der Architekt. 
Im Erdgeschoss des Gebäudes befinden sich die Anmeldung, eine Cafeteria, ein Wintergarten sowie Umkleidekabinen und Räume, in denen die Gäste von den Trainern angewiesen werden. Im ersten Obergeschoss ist ein Konferenzraum für bis zu 100 Personen und eine Galerie mit Blick auf den Windkanal geplant. 
Außerdem soll es kleinere Clubräume für Firmenfeiern oder Geburtstage geben. Im zweiten Obergeschoss sind Ruheräume vorgesehen, zudem ist eine Sauna geplant. Im Winter soll es auf dem begehbaren Dach sogar eine Schlittschuhbahn geben. Ab dem ersten Betriebsmonat der Anlage sollen 45 neue Arbeitsplätze entstehen.
Ansprechen soll der Windtunnel neben den Spaßfliegern auch Fallschirmsportler, die ihre Formationen üben können. Bis zu acht Personen haben in dem Tunnel Platz. Laut Boris Nebe, Entwickler und Hersteller der technischen Anlage, können bereits Kinder ab vier Jahren unter Anleitung von Trainern im Windtunnel fliegen. 
Da der Sport nicht körperlich belaste, könne man ihn bis ins hohe Alter betreiben. „Man liegt auf der Luft wie in einer Hängematte“, erklärte Nebe. Ein nachgebendes Sicherheitsnetz fängt die Fluggäste auf, der Tunnel selbst ist mit Sicherheitsglas ausgestattet. Da das gesamte Gebäude barrierefrei geplant ist, können auch Menschen mit körperlichen Behinderungen den Sport ausüben.
Doch auch Fallschirmjäger der Bundeswehr nutzen Windtunnel zu Übungszwecken, da diese zeit- und kostengünstiger seien, ergänzte Kolmogorov. Denn für jeden echten Fallschirmsprung müssten die Soldaten – wie auch die Fallschirmsportler – zunächst mit dem Flugzeug auf rund 4000 Meter Höhe gebracht werden, was rund 20 Minuten dauere. Der Absprung selbst dauere dann nur eine Minute. Dies könne im Windtunnel häufiger und mit weniger Aufwand trainiert werden.
Kolmogorov geht davon aus, dass mit dem neuen Windtunnel das Interesse an dem Sport „explodieren“ wird. Rund 60 000 Gästen jährlich soll der Windtunnel anlocken, der möglichst bald zum Hauptaustragungsort für internationale Wettbewerbe im Indoor-Skydiving werden soll. 
Doch auch Spaßflieger können die Anlage nutzen. Preise stehen allerdings noch nicht fest. Günstig ist der Spaß jedenfalls nicht, eine ganze Stunde im Windtunnel kostet zwischen 780 und 1600 Euro. Allerdings buche man damit auch den Tunnel für sich und eine Gruppe samt zwei Trainern, betonte Boris Nebe. 
Zudem würden Spaßflieger, die in den Sport reinschnuppern wollten, nur für ein bis zwei Minuten fliegen, da es körperlich sehr anstrengend sei. Für diese kurzen Einheiten samt Einweisung durch einen Trainer werden dann rund 60 Euro fällig. Das, so Nebe, sei immer noch günstiger als ein tatsächlicher Fallschirmschirm, der meist über 200 Euro koste. (nad)

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