Toleranz und Nächstenliebe

Ökumenischer Gottesdienst zum Tag der Deutschen Einheit

EINE INTRADE spielte der evangelische Posaunenchor unter der Leitung von Ernst Freese beim Ökumenischen Gottesdienst zum Tag der Deutschen Einheit im Kelsterbacher Fritz-Treutel-Haus. (Foto: Scherer)

Kelsterbach. Die Bundestagswahl und das gute Abschneiden der Rechtspopulisten der Alternative für Deutschland (AfD) waren Thema beim ökumenischen Gottesdienst zum Tag der Deutschen Einheit. In Reden und Predigten wurde zur Nächstenliebe und Toleranz aufgerufen, verbunden mit der Mahnung an die Politik, die sozialen und strukturellen Probleme in Deutschland anzugehen.

Nur wenige Kilometer entfernt, in Mainz, fanden die offiziellen Feierlichkeiten zum 3. Oktober unter dem Motto „Zusammen sind wir Deutschland“ statt. Interessanterweise ganz ohne Absprache habe auch die Caritas mit „Zusammen sind wir Heimat“ ihr diesjähriges Jahresmotto gewählt, sagte Pfarrer Franz-Josef Berbner bei der Begrüßung der über hundert Gäste im Fritz-Treutel-Haus.
Doch wer ist Deutschland und was ist für uns Heimat?, fragte Berbner. Im Kleinen, in den Kitas nämlich, zeige sich, dass Kinder, egal welcher Herkunft, Religion oder Hautfarbe, Aufnahme im Kreis der anderen finden. „Alle sind willkommen und gehören dazu“, betonte der Pfarrer, denn vor Gott seien alle Menschen gleich.
Als „Riesengeschenk für die Gemeinschaft“ bezeichnete Pfarrer Alfred Weinberg die Einheit. „Was getrennt war, ist zusammengekommen.“ Trotz aller Gemeinsamkeit seien vor allem bei der Bundestagswahl die Unterschiede zwischen Ost und West deutlich geworden, so Weinberg mit Blick auf die vielen Stimmen für die AfD im Osten. Das Wahlergebnis habe aufgerüttelt und gezeigt, dass sich seit dem Mauerfall nicht alles zum Guten verändert habe. 
Man müsse nach den Ursachen für den Rechtsruck in der Gesellschaft fragen und nach Lösungen suchen. Es sei wahrzunehmen, dass es nach der Wiedervereinigung für Einige Enttäuschungen gegeben habe. Hinzu komme die Angst vor Fremden und das Gefühl, abgehängt zu sein. Die Worte der Bibel, vor allem das Gebot der Nächstenliebe, sollten hier als Hilfestellung dienen, um einen gemeinsamen Weg zu finden, so Weinberg.
Auch nach 27 Jahren Einheit seien die Spuren der Trennung noch sichtbar, meinte Bürgermeister Manfred Ockel. Kritisch hinterfragt werden müsse, warum es nach fast einer Generation nicht gelungen sei, einheitliche Standards zwischen Ost und West bei den Löhnen zu schaffen. Man müsse sich aber auch fragen, ob der Solidaritätszuschlag noch zeitgemäß sei oder man nicht eher Regionen mit Entwicklungspotenzial in Ost und West gezielt unterstützen solle.
Nach dem Erfolg für die AfD bei der Wahl könne man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, mahnte der Bürgermeister. Nehme man noch das Protestklientel von links dazu, käme man auf 20 Prozent – jeder fünfte Wähler habe somit deutlich gemacht, dass er weder mit dem Weg der Regierung noch der Opposition einverstanden sei. Auch die Rahmenbedingungen, die man politisch steuern müsse, seien ein Grund für die Protestwahl. Landflucht, Wohnungsnot und die Angst vor Überfremdung hätten beim Wahlverhalten ebenfalls eine Rolle gespielt. 
Für soziale Kernthemen wie steigende Mieten und die damit verbundene Existenzangst von Familien und älteren Menschen müssten Lösungen gefunden werden. Auch in Kelsterbach spüre man den Druck der Metropolregion, auch hier fehle es an bezahlbarem Wohnraum. Gerade ausländische Mitbürger hätten es besonders schwer, eine Wohnung zu finden. Immerhin profitiere man in Kelsterbach von Förderprogrammen wie „Soziale Stadt“ und könne damit die Lebensqualität der Menschen verbessern und Bildungsprojekte finanzierten.
„Wir wollen weiter ein tolerantes Land bleiben, das Menschen in Not aufnimmt“, betonte Ockel. Gleichzeitig müsse es Hilfe vor Ort sowie nachhaltige wirtschaftliche Kooperationen mit den Ländern, aus denen Menschen fliehen, geben, da die EU nicht Zufluchtsort für alle sein könne. 
Dass Kinder unterschiedlichster Kulturen in Kitas und Schulen Freunde würden, sei ein Antrieb für die weitere Investition in Bildung. Am Tag der Deutschen Einheit feiere man die Vielfalt in Deutschland und den Bundesländern. Trotz Meldungen über Terror und Attentate müsse man entschlossen sein, die Demokratie vor denen zu verteidigen, die sie zerstören wollen, sagte Ockel.
Musikalisch umrahmt wurde die Feier vom evangelischen Posaunenchor sowie dem Volkschor, der die Lieder „Herr Deine Güte“ und „Möge die Straße uns zusammenführen“ sang. (nad)

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