Mit einer Stimme gesprochen

240. Montagsdemo am Flughafen erinnerte an BBI-Gründung vor 20 Jahren

DEMONSTRATION: Am 5. März 1998 hat sich das Bündnis der Bürgerinitiativen (BBI) gegründet. An den 20. Jahrestag erinnerten über 200 Fluglärm- und Ausbaugegner, die bei der 240. Montagsdemo mit Trillerpfeifen und Transparenten durch das Terminal 1 des Frankfurter Flughafens zogen. (Foto: Scherer)

Rhein-Main. Auch an diesem Montagabend waren sie wieder unterwegs: Mit großen Transparenten, lärmenden Trillerpfeifen und Megafonen zogen über 200 Ausbau- und Fluglärmgegner durch das Terminal 1 des Frankfurter Flughafens. Es war nicht nur die mittlerweile 240. Montagsdemo, auf den Tag genau vor 20 Jahren – am 5. März 1998 – wurde das Bündnis der Bürgerinitiativen (BBI) gegründet.

Unter dem Dach des ehrenamtlich agierenden Bündnisses versammeln sich rund 80 Bürgerinitiativen aus dem Rhein-Main-Gebiet. Dass es überhaupt soweit kam, ist dem ehemaligen Lufthansa-Chef Jürgen Weber zu verdanken. Dessen öffentliche Forderung nach dem Bau einer weiteren Start- und Landebahn im November 1997 aktivierte sowohl Ausbaugegner aus der Zeit der Startbahn-West-Proteste aber auch neu gegründete Bürgerinitiativen. 
Im Umlandverband Frankfurt schloss sich am Abend des 5. März vor 20 Jahren das Bündnis aus zahlreichen Initiativen zusammen, darunter die BIs aus Mörfelden-Walldorf, Flörsheim und Neu-Isenburg. Auch die Interessengemeinschaft zur Bekämpfung des Fluglärms (IGF) und die Wählerinitiative Kelsterbach (WIK) waren dabei. Man habe damals erstmals mit einer Stimme gesprochen, sagte Martin Kessel. „Das war die Urstunde dessen, was wir heute haben“, so das BBI-Gründungsmitglied. 
Kessel erinnerte an die Umverteilung der Flugrouten 2001 und warnte vor dem Sankt-Florian-Prinzip. Es sei ein altes Problem der BIs, dass man sich zunächst nur für die eigene Sache engagiere. „Aber Sankt Florian hilft niemandem“, so Kessel.
Für die Nordwest-Landebahn, für die mit Steuergeldern das „Problem Ticona“ weggekauft wurde, gebe es keinerlei Notwendigkeit. „Wir haben heute weniger Flugbewegungen als 2007 und 2008“, sagte Kessel. 
Positiv sei, dass sich die Bürgermeister der umliegenden Kommunen von Fraport nicht mehr einlullen lassen würden. Auch die Gründung des Parlamentskreises Fluglärm in Berlin vor wenigen Wochen, der sich aus 50 Bundestagsabgeordneten aller Parteien zusammensetzt, sei eine „schöne Meldung“ und ein wirklicher Fortschritt. „Das geht auf unsere Arbeit zurück“, sagte Kessel.
Im Mittelpunkt der BBI-Kritik stand das vom damaligen SPD-Ministerpräsidenten Hans Eichel initiierte Mediationsverfahren zum Ausbau. „Das diente nur der Akzeptanzschaffung bei der Bevölkerung“, sagte Dirk Treber, BBI-Gründungsmitglied und IGF-Vorsitzender. Selbst das Nachtflugverbot, einer der fünf Punkte im Mediationsverfahren, habe man sich erkämpfen müssen, so Treber.
Um wirklich den Fluglärm zu mindern, hätte der Ausbau verhindert werden müssen, jetzt sei nur noch eine Lärmverteilung möglich. „Viele sind zu spät aufgewacht“, bedauerte Treber. Auch wenn mittlerweile die neue Landebahn und die A380-Halle stehen und am dritten Terminal gebaut wird, habe er persönlich nicht resigniert. 
Als Erfolg wertete Treber, dass man durch eigene Hartnäckigkeit die Themen Lärm- und Schadstoffbelastung auf die Agenda der Politik gesetzt habe – mittlerweile bis nach Berlin. „Aber es wird noch zu wenig getan“, so Treber.
Als „Riesenerfolg“ bezeichnete BBI-Sprecher Thomas Scheffler, dass man den Bau der 2011 eröffneten Landebahn verzögern konnte. Deren Fertigstellung war eigentlich zur WM 2006 geplant. „Wenn wir nicht wären, sähe es noch schlimmer aus“, betonte Scheffler. Das Engagement sei ein mühsamer Prozess, der viel Selbstmotivation erfordere.
Es gebe auch Leute, die nach 20 Jahren resigniert hätten. Andere wiederum seien überzeugt, dass es zu kämpfen lohne, sagte Scheffler. Zu den Montagsdemos komme ein fester Stamm von bis zu 300 Leuten. 
Die Ziele, so Scheffler, seien unverändert: ein absolutes Nachtflugverbot ohne Ausnahmen von 22 bis 6 Uhr, die Deckelung der Flugbewegungen auf 380 000 im Jahr, die Schließung der Nordwest-Landebahn und der Stopp von Subventionen für die Luftverkehrsindustrie.
Bevor es im Terminal am Montagabend laut wurde, hielten die Demonstranten kurz inne und gedachten Käte Raiss. Die Walldorferin verstarb am Sonntag im Alter von 87 Jahren. Sie und ihr 2014 verstorbener Mann Walter hatten sich über Jahrzehnte für den Natur- und Umweltschutz in der Doppelstadt und im Kampf gegen die Startbahn West engagiert. Ihr Haus in der Kelsterbacher Straße war viele Jahre Stütz- und Treffpunkt des Widerstandes gegen die Startbahn gewesen. (nad)

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