Stefan Hammerschmiedts Fitnessstudio in Kelsterbach muss geschlossen bleiben

„Ein Betrieb mit Konzept wäre kein Problem“

Würde sein Fitnessstudio an der Mainstraße gerne wieder öffnen: Stefan Hammerschmiedt, der ein Hygienekonzept ausgearbeitet hat und für ausreichend Abstand auch Geräte absperrt. Foto: Koslowski

Kelsterbach – Ein wenig gespenstisch schaut es aus in dem Raum. Hier, wo sonst Jung und Alt, Frauen und Männer fleißig ihre Muskeln trainieren, stehen die Geräte still, ist kein Aufeinanderprallen von Gewichten zu hören. Nur die elektronische Musik wabert im Hintergrund aus den Boxen und erfüllt das Sport- und Fitnessstudio Ottwald Gym zumindest ein bisschen mit Leben. 

Eigentümer Stefan Hammerschmiedt musste zwar auch, wie hunderte andere Betreiber in Deutschland, sein von Kelsterbachern oft zu unrecht als Muckibude bezeichnetes Studio schließen. Die Füße legt er dennoch nicht gemütlich hoch. Gerade erst hat er die Wände der Umkleidekabine mit frischer Farbe gestrichen und die Bänke und Spinde umgestellt.
Bis voraussichtlich 14. Februar dauert der bundesweite Corona-Lockdown. Hammerschmiedt rechnet zwar auch danach nicht mit einer Öffnung, hat aber dennoch die Hoffnung nicht aufgegeben. Denn die Opposition gegen die harte Haltung werde größer, so Hammerschmiedt. Er beobachte die Entwicklung der Infektionszahlen und der Inzidenzen, die derzeit fallen. Der 54-jährige austrainierte Wettkampfathlet, der das auf drei Etagen verteilte Studio 2006 übernahm, ist nicht der Meinung, dass Fitnessstudios oder Restaurants schließen müssten. Er meint vielmehr, die Schließung solle sich auf Orte wie beispielsweise Einkaufszentren und Konzerte beschränken, weil er sie als Risikoorte für eine Übertragung mit dem Corona-Virus einschätzt. Ebenso wie übrigens den öffentlichen Personennahverkehr.
Aber Fitnessstudios? Sein Fitnessstudio? Auf seinen 450 Quadratmetern verteilten sich in Spitzenzeiten 20 bis 24 Sportler, also maximal sieben bis acht Menschen auf einer Etage. Wissenschaftler schätzten außerdem Fitnessstudios gar nicht als Risikofaktor für die Verteilung des Virus ein, so der Eigentümer.
Hammerschmiedt hatte während der kurzen Öffnungsphase zwischen Mai und November Geräte abgesperrt, Desinfektionsmittel bereitgestellt und die Personenzahl in der Umkleide begrenzt. Er berichtet von großen Fitnessstudios, die Bereiche gekennzeichnet hatten, in denen nur eine Person zugelassen war. „Es braucht Konzepte“, sagt er, dann sei der Betrieb kein Problem. 
Das Studio in Kelsterbach ist praktisch seine zweite Heimat, Hammerschmiedt hatte sich hier 1985 angemeldet. Eröffnet hatten das Studio Hartmut Otto und Gerhard Waldschmidt 1981, zunächst an der Bergstraße, seit 1983 findet man es an der Mainstraße. 2006 wurde Hammerschmiedt gefragt, ob er es übernehmen wolle. Sein Partner war im ersten Jahr der Profibodybuilder Markus Rühl, der ebenfalls hier trainierte. Das Fitnessstudio sollte eigentlich das zweite Standbein für Hammerschmiedt sein, als Ergänzung zu seiner Fenstermontage. Inzwischen habe die Prioritätenfolge gewechselt. 
Gleichwohl macht Hammerschmiedt deutlich: „Gott sei Dank habe ich die Fenstermontage noch.“ Im Frühjahr, während des ersten Lockdowns, hatte er Leistungen vom Bund erhalten, der pro Empfänger maximal 10 000 Euro ausschüttete. Er wolle nicht über die Höhe seiner Summe sprechen, sie entspreche aber bei Weitem nicht den Umsatzverlusten. Aber er habe mit ihr das Studio über Wasser halten können. Und für den privaten Zweck war die Unterstützung natürlich auch nicht gedacht. Alles, was an privaten Kosten angefallen sei, habe er deshalb aus den Einnahmen der Fenstermontage und aus Rücklagen entnehmen müssen. Rücklagen, die er eigentlich für die Altersvorsorge angelegt habe. 
Im November und im Dezember sah die Situation genauso aus. Wie es im nun im neuen Jahr mit den Zuschüssen weitergeht, sei noch nicht bekannt. Während des Lockdowns im Frühjahr hatte Hammerschmiedt noch weiterhin die Gebühren eingezogen. Am Ende wird der zwölfmonatige Vertrag dann um zwei Monate gebührenfrei verlängert. Die staatliche Unterstützung könne somit auch als Vorschuss betrachtet werden. Wenn ein Kunde indessen seine Laufzeit auf zwölf Monate befristet habe, weil beispielsweise ein Umzug anstehe, werde er nicht geknebelt. 
Das Problem trotz der eingehenden Gebühren ist mehrschichtig. Zum einen haben einige, wenn Hammerschmiedt auch nur von wenigen spricht, dem Studio den Rücken gekehrt. Viele seiner rund 200 Sportler seien bereits seit 15 bis 30 Jahren Mitglied. Sie hätten eine enge Bindung zu dem Studio.
Für die Kündigungen bringe er Verständnis auf, kenne er doch die finanzielle Situation der Menschen nicht. Normalerweise, sagt er, hielten sich Ein- und Austritte etwa die Waage. Derzeit schließe jedoch natürlich niemand einen Vertrag mit einem Fitnessstudio ab. 
Schwerwiegender wirke sich indessen der Einnahmeverlust für den Verkauf von Snacks und Getränken an der Theke aus. Der Verkauf mache immerhin 30 Prozent des Umsatzes aus, unterstreicht Hammerschmiedt. Aktuell verzichtet der Studiobetreiber auf den Einzug der Mitgliedsgebühren. Was den Griff in die Rücklagen tiefer werden lasse. 
Ein Online-Training bietet Hammerschmiedt seinen Kunden nicht an. Dafür sei er nicht der Typ, meint er schmunzelnd. Er erkläre lieber persönlich und an den Geräten Techniken und Wirkungen. Seine Kunden hätte sich aber über den Lockdown Kurz- und Langhandeln ausleihen dürfen. Von Rüdiger Koslowski

 

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