SPD-Abgeordnete wurden bedroht

Matinee anlässlich des Jahrestags der Wels-Rede gegen das Ermächtigungsgesetz

VIELE EHRENGÄSTE waren zur Matinee ins Fritz-Treutel-Haus gekommen (von links): Der ehemalige Landrat Willi Blodt, Manfred Ockel, Landrat Thomas Will, Bernd Faulenbach, Gerold Reichenbach und Kurt Linnert. (Foto: Postl)

Kelsterbach. Mit einer Matinee im Fritz-Treutel-Haus erinnerte der SPD Unterbezirk Groß-Gerau an die Rede von Otto Wels gegen das Ermächtigungsgesetz. Vor 80 Jahren, am 23. März 1933, widersetzte sich der damalige SPD-Vorsitzende Otto Wels der Zustimmung des von den Nationalsozialisten eingebrachten Gesetzes, das dem an die Macht strebenden Adolf Hitler weit reichende Befugnisse ermöglichen sollte. Das Gesetz wurde auch ohne Zustimmung der Sozialdemokraten verabschiedet, doch bis heute verweist die Partei auf das couragierte Verhalten der damaligen Genossen. „Die Rede von Otto Wels gilt als eine der denkwürdigsten, die je in einem deutschen Parlament gehalten wurden“, betonte Gernot Grumbach, Vorsitzender des SPD Bezirk Hessen-Süd.
 

„Wir sind ein bisschen stolz, dass wir diese Veranstaltung ausrichten dürfen, aber dieser Ort ist genau richtig“, begrüßte Kelsterbachs SPD-Ortsvereinsvorsitzender Manfred Ockel die Gäste im Fritz-Treutel-Haus. Er zeichnete kurz den Wandel des Bauerndorfs über den Industriestandort bis zur heutigen Stadt auf. „Die große Arbeiterschaft, die nicht sonderlich gut behandelt wurde, brachte es mit sich, dass bereits 1901 die SPD in Kelsterbach gegründet wurde“, so Ockel.
Landrat Thomas Will ging in seiner Begrüßung auf die Geschichte der SPD in seiner Heimatgemeinde Bischofsheim ein. „Dort haben sich bereits 1896 Menschen getroffen, um einen Arbeiterverein zu gründen, aus dem 1911 die SPD hervorging“, beschrieb Will die Situation.
Mit Auszügen aus der Originalrede von Otto Wels in der Berliner Kroll-Oper wurden die Gäste auf den Vortrag von Professor Bernd Faulenbach eingestimmt. Der Historiker der Ruhr-Universität Bochum ist Vorsitzender der Historischen Kommission des SPD-Parteivorstandes.
Faulenbach schilderte noch einmal, wie es überhaupt zur Abstimmung über das Ermächtigungsgesetz kam und welche Stimmung damals herrschte. „Wohl um das Verhalten der Sozialdemokraten wissend, wurden ihre Abgeordneten auf dem Weg in die Kroll-Oper bedrängt, bei einer Zustimmungsverweigerung würden sie vor ein Tribunal gestellt“, schilderte Faulenbach die bedrohlichen Umstände. Dennoch ließ es sich Otto Wels nicht nehmen, obwohl gesundheitlich angeschlagen, sich mit einer Rede gegen die Absichten der Nationalsozialisten an seine Parteifreunde aber auch an das deutsche Volk zu wenden.
„Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht“, schloss Otto Wels seine denkwürdige Rede, die Faulenbach als ein Dokument politisch und moralischer Selbstbestimmung bezeichnete. Für ihn war der 23. März 1933 ein „schwarzer Tag des deutschen Parlamentarismus“.
„Es war nicht die Sozialdemokratie, die Deutschland ins Unglück geführt hat, im Gegenteil, sie hatte eindringlich davor gewarnt“, so Faulenbach. Er sah im Verhalten der führenden Sozialdemokraten aber auch Fehler, wie beim Preußenschlag.
Im anschließenden Gespräch mit Gernot Grumbach zum Thema „Wie gefährdet ist die Demokratie heute?“ forderte Faulenbach vor allem die Schaffung einer Ebene, die über den ökonomischen Interessen steht.
Die Veranstaltung wurde vom Pavel Mozgovoy-Jazz-Duo musikalisch umrahmt. Gespielt wurde passend zum Anlass ausschließlich Musik der 1920/1930er Jahre. (pos)

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