„Jeder sollte tun, was er kann“

Der Amerikaner Kyle Peerless repariert Fahrräder für Flüchtlinge

Kelsterbach. Kaum ist Kyle Peerless mit seinem Fahrrad um die Ecke gebogen und fährt auf das Airporthotel zu, winken ihm die jungen Männer, die an der Eingangstür stehen, zu. Mit Handschlag begrüßt der junge Amerikaner die Bewohner der Flüchtlingsunterkunft. Sofort gehen sie in den Keller, denn dort befindet sich die provisorische Fahrradwerkstatt, die Peerless seit Oktober ehrenamtlich betreut und einmal pro Woche öffnet.

 „Die Fahrräder sind eigentlich nebensächlich. Ich sehe es eher als Möglichkeit, mit den Menschen hier zu reden und sie zu verstehen“, begründet der 23-jährige Austauschstudent sein Engagement. „Jeder sollte tun, was er kann, um die Leute zu unterstützen“, findet er. Peerless ist einer von 75 US-amerikanischen Studenten, die im Rahmen eines parlamentarischen Patenschaftsprogramms ein halbes Jahr in Deutschland verbringen. Finanziert wird das Programm, das den kulturellen Austausch beider Länder fördern soll, vom Deutschen Bundestag und dem US-Kongress.
Kyle Peerless, der aus dem kalifornischen Carmel Valley stammt, kam im August 2015 zunächst nach Köln und belegte einen Sprachkurs. Im Oktober verschlug es ihn dann in die Untermainstadt zu einer Gastfamilie, die direkt neben dem Hotel wohnt, das als Erstaufnahmeunterkunft genutzt wird.
 Ihm sei sofort klar gewesen, dass er sich ehrenamtlich engagieren wolle und er habe das Begegnungscafé für Flüchtlinge und Bürger besucht, sagt Peerless. Agneta Becker, seit Mai städtische Flüchtlingskoordinatorin, legte dem Maschinenbaustudenten die Fahrradwerkstatt ans Herz.
Schon in seiner Heimat bekam Kyle Peerless einen Eindruck von der Not geflüchteter Menschen. Interesse an dem Thema Migration habe er während seines Studiums an der Universität von Los Angeles entwickelt. Gerade in L.A. hätten viele Verbindungen nach Mexiko, so Peerless. Rund zwölf Millionen Menschen, schätzt er, lebten ohne offizielle Papiere und damit illegal in den USA. Sie arbeiten für wenig Geld, immer in Gefahr, abgeschoben zu werden.
Das Problem sei, dass die in den USA geborenen Kinder von illegal eingewanderten Menschen keine Papiere haben und nach ihrer Abschiebung nach Mexiko auch keine gültigen Papiere erhalten. „Sie sind also staatenlos“, so Peerless, der in Mexiko in einer Unterkunft für abgeschobene Migranten gearbeitet hat.
In den USA wie auch in Deutschland seien die Stimmungen ähnlich. „Für die meisten Menschen sind Flüchtlinge ein extrem abstraktes Thema. Das frustriert mich etwas.“ Integration, findet Kyle Peerless, kann nicht nur von einer Seite eingefordert werden, es seien beide Seiten gefragt. „Die Leute sollten einfach mal auf die Flüchtlinge zugehen.“
Zwar sei es mit der Sprache nicht immer einfach, so der Student. Auch in der Fahrradwerkstatt wird manchmal mit Händen und Füßen kommuniziert – wenn beispielsweise eine Luftpumpe gesucht wird – doch es funktioniere. 
Die Fahrräder, die Kyle Peerless an die die Flüchtlinge ausgibt, sind Spenden von Bürgern oder Fundstücke, deren Besitzer die Polizei nicht ausfindig machen konnte. Bei manchen sind die Reifen platt, bei anderen fehlt ein Sattel, oder die Bremse funktioniert nicht richtig. Dann steht Peerless im Keller und schraubt die Räder wieder zusammen. Auch der Verein Kleeblatt unterstütze ihn und finanziere das ein oder andere Ersatzteil, freut sich Peerless. Bis zu 40 Fahrräder hat er bereits verkehrstauglich gemacht. 
Für Kyle Peerless neigt sich die Zeit in Deutschland dem Ende zu. Noch bis Mitte Juli gilt sein Visum. Das würde der 23-Jährige, der gerade bei der Schott AG in Mainz ein Praktikum macht, gerne verlängern. Dazu muss er eine Arbeit finden. Wenn möglich, würde er gerne in Kelsterbach bleiben. Zwar vermisse er seine Familie in Carmel Valley. „Aber ich habe mir hier ein Leben aufgebaut und richtige Freunde gefunden. Ich will den Leuten weiter helfen“, so Kyle Peerless. (nad)

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