Singen bei Kerzenschein

25 Gläubige kamen zum Gottesdienst in die Mönchhofkapelle

Besinnliche Stimmung: Bei schummrigem Kerzenlicht sangen die Gottesdienstbesucher gemeinsam Weihnachtslieder. (Foto: Scherer)

Kelsterbach. Dicke Kleidung, Handschuhe, Mützen und ein Kissen für den Hintern – das waren notwendige Komponenten für den Gottesdienst in der kleinen Mönchhofkapelle, wollte man nicht frieren.

Denn pünktlich nach Weihnachten kam der Wintereinbruch mit Schnee und Minustemperaturen. Entsprechend kalt war es in der urigen Kapelle aus dem 17. Jahrhundert, die nicht beheizt wird. Wohl auch wegen des Wetters waren mit rund 25 Teilnehmern diesmal deutlich weniger Besucher zum Kerzenschein-Gottesdienst gekommen. Die, die sich von Schnee und glatten Straßen nicht abschrecken ließen, erlebten einen Gottesdienst in einzigartiger Atmosphäre.
Seit acht Jahren laden die evangelischen Kirchengemeinden am Sonntag zwischen Weihnachten und Silvester zu einem meditativen Gottesdienst bei Kerzenschein in die Kapelle auf dem Mönchhofgelände ein. Statt grellem Licht aus der Steckdose erleuchteten zahlreiche kleine Kerzen den Innenraum des denkmalgeschützten Gebäudes. Jeder Besucher bekam eine kleine Kerze, die wohlige Wärme verstrahlte und auch als Lesehilfe für das Gesangsbuch diente. Darüber hinaus hatte die Kerze aber auch eine symbolische Bedeutung.
So sei die Kerze eine Hilfe für die Menschen, um klarer zu sehen, erklärte Pfarrer Joachim Bundschuh. Herrsche Finsternis und Dunkelheit, habe man Mühe, sich zurechtzufinden. Doch Finsternis und Dunkelheit bedeuteten nicht nur die Abwesenheit einer Lichtquelle sondern auch Unklarheit und Ausweglosigkeit und dass man den anderen nicht verstehe. „Das Kerzenlicht bedeutet Klarheit und weniger Angst. Es ist kein grelles Licht, das uns bloßstellt oder durchleuchtet. Es ist ein barmherziges Licht“, so der Pfarrer der Friedensgemeinde.
Keine Predigt sondern der französische Kurzfilm „Frohe Weihnachten, Rachid“ stand im Mittelpunkt des Gottesdienstes. Hier finden zwei junge Muslime Gefallen am Weihnachtsfest, feiern heimlich und ohne das Wissen der Eltern Bescherung und besuchen sogar einen Gottesdienst. Die besorgten Eltern beruhigt Rachid dann, immerhin habe er sich – wie in der Moschee üblich – vor dem Besuch der Kirche die Schuhe ausgezogen.
Sowohl Rachid als auch die biblischen drei Gelehrten aus dem Morgenland hätten eine andere Religion als die Mehrheit um sie herum, so Pfarrer Bundschuh. Oft würden aber die vertrauten Dinge – durch die Augen der Fremden gesehen – wieder bedeutsam. Wenn Rachid etwa erkläre, dass ein Gott, der so schöne Weihnachtslieder erfinde, gar nicht so verkehrt sein könne, verweise das auf einen menschenfreundlichen Gott, der sich an Weihnachten sogar selbst zum Menschen mache. „Es sind die Fremden, die den Menschen in der Bibel die Augen gegenüber Jesus geöffnet haben“, so der Pfarrer. Auch im Alltag wäre man oft blind für Partner, Freunde, Familie und das, was einen trage, würden Außenstehende einen manchmal nicht darauf hinweisen, schloss Bundschuh. (nad)

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