Schnelle Lösung ist nicht in Sicht

Rund 600 Menschen suchen verzweifelt eine Wohnung – Nachfrage steigt seit Jahren

AUCH IM QUARTIER in der Rüsselsheimer Straße tut sich einiges, hier sind die Wohnungen der Nassauischen Heimstätte gefragt. (Foto: Postl)

Kelsterbach (nad). „Reichlich unverschämt“ und „Normal ist das mit den Preisen wirklich nicht mehr“ – So kommentieren Nutzer im Netzwerk Facebook das Angebot für ein zwölf Quadratmeter großes möbliertes Zimmer in Kelsterbach. Kostenpunkt: 325 Euro Warmmiete. 
Für Studenten oder Firmenmitarbeiter, die kurzzeitig eine Bleibe suchen, sicher ein Schnäppchen. Doch was ist mit Familien, die dauerhaft in Kelsterbach leben wollen? Vor allem in den Ballungsräumen wird Wohnraum knapp, die Mieten steigen kontinuierlich; die Wohnungsnot ist eines der dringlichsten Probleme.

Auch in der Untermainstadt ist die Nachfrage nach Wohnungen groß. Schaut man sich im Internet in einschlägigen Immobilienportalen um, staunt man teils nicht schlecht: Da wird das „Schmuckstück für Singles“ – eine 40 Quadratmeter und 1,5 Zimmer große Wohnung – für 840 Euro Warmmiete angeboten. 
Großstadtpreise also auch in Kelsterbach? „Bei uns ist es fast genauso schlimm wie in Frankfurt“, beschreibt Thomas Börner vom städtischen Wohnungsamt die Situation. Die sei so prekär, dass man Wohnungssuchenden von auswärts von vornherein erkläre, dass die Situation im Moment leider aussichtslos sei. 
Zwischen 500 und 600 Menschen suchen nach Auskunft von Börner derzeit in Kelsterbach eine Bleibe. Gefragt seien Sozialwohnungen, aber auch Wohnungen für Menschen mit mittleren Einkommen. Vor allem Zwei- und Drei-Zimmer-Wohnungen seien begehrt. „Ich nehme auch erst einmal eine kleinere Wohnung“ – das höre er oft von den verzweifelten Menschen, die in seine Sprechstunde kämen, so der Leiter des Wohnungsamts.
Seit 1988 arbeitet Börner im städtischen Wohnungsamt. Es habe immer mal Jahre mit einer erhöhten Nachfrage nach Wohnungen gegeben, so beispielsweise Anfang der 90er Jahre. Der aktuelle Wohnungsdruck halte jedoch schon länger an. „Die Nachfrage steigt seit etwa sechs Jahren kontinuierlich.“ Mit ein Grund sei die gute Wirtschaftslage in Deutschland und vor allem rund um den Frankfurter Flughafen. Viele Menschen aus ganz Europa kämen hierher, da es in ihrer Heimat keine Perspektive und Arbeit gebe, wofür er auch Verständnis habe.
Das Problem sei aber, dass es immer weniger Bauplätze gebe und eben weniger Wohnraum. Ein weiteres Problem sieht Thomas Börner darin, dass den Menschen oft einfach Arbeitsverträge gegeben würden – „aber ob sie eine Wohnung haben, fragt keiner.“ Früher habe es oft nur Verträge mit dem Arbeitnehmer gegeben, wenn dieser eine Wohnung nachweisen konnte. 
Viele, die derzeit rund um den Flughafen arbeiteten, würden sich dann in Kelsterbach anmelden, eine Bleibe hätten sie aber nicht. Dann passiere es auch, dass mehrere Personen in ihrer Not in einer viel zu kleinen Wohnung leben würden – was dann Probleme mit den Nachbarn mit sich ziehe. 
Die Stadt selbst verwaltet 312 eigene Wohnungen, dazu kommen rund 900 Wohnungen der Gemeinnützigen Baugenossenschaft (GBK) und 689 Wohnungen der Nassauischen Heimstätte (NH). Bei den städtischen Wohnungen liege der Preis im Schnitt bei etwa fünf Euro Kaltmiete pro Quadratmeter, so Börner. 
Eine Übersicht über privat vermietete Wohnungen hat die Stadt nicht. „Das ist ein ganz eigenständiger Wohnungsmarkt“, so Börner. Es sei leider auch selten, dass ein Privatvermieter bei der Stadt eine freie Wohnung melde und einen Mieter suche. „Das passiert höchstens ein bis zwei Mal im Jahr.“ Und dann komme es vor, dass den Vermietern die von der Stadt vorgeschlagenen Mieter nicht passten, bedauerte Börner.
Wer sich auf die Liste des Wohnungsamts setzen lässt, muss im Schnitt fünf Jahre auf eine Bleibe warten. Thomas Börner erlebt in seiner Sprechstunde oft verzweifelte Menschen, manche würden auch mal lauter werden, was auch für die Mitarbeiter belastend sei. „Aber die meisten verstehen die Situation“, berichtet Börner. 
 Eine schnelle Lösung für die Wohnungsnot sieht der Amtmann nicht. Dazu müsse man ausreichend Wohnraum ausweisen. Allerdings gibt es auch in Kelsterbach kaum noch Flächen, die bebaut werden können, unter anderem durch die Siedlungsbeschränkung. Die viel zitierte „innerstädtische Verdichtung“ sieht Börner durchaus kritisch, da dies oft für Probleme mit den Nachbarn sorge. 
Glücklicherweise würde die NH demnächst 240 neue Wohnungen in der Rüsselsheimer Straße bauen, rund 80 davon öffentlich gefördert. Allerdings müssten auch noch 50 Mieter aus dem Altbestand, der abgerissen wird, Ersatzwohnungen angeboten werden. Das Neubauprojekt werde die Situation kurzzeitig entspannen, aber in ein oder zwei Jahren sei man dann wieder beim jetzigen Stand, befürchtet Börner. 

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