Eine Prüfung für Europa

Doch nur wenige kommen zur Gedenkstunde zum Volkstrauertag

SOLIDARITÄT: In diesen Tagen fühlen die Menschen mit Frankreich. Während den Feiern zum Volkstrauertag in Kelsterbach (Foto) und Mörfelden-Walldorf gedachte man auch den Opfern der Pariser Terroranschläge und ihren Angehörigen. Bei zahlreichen öffentlichen Veranstaltungen wurden Schweigeminuten eingelegt. Am morgigen Freitag werden in Kelsterbach um 21.20 Uhr, also zu dem Zeitpunkt, an dem sich vergangene Woche die erste Explosion ereignete, fünf Minuten lang die Glocken läuten – als Einladung an die Menschen, innezuhalten, nachzudenken und ein Gebet für die Opfer zu sprechen. Außerdem sind während dieser Zeit die evangelischen und katholischen Kirchen der Untermainstadt geöffnet. (Foto: Scherer)

Kelsterbach. Die Gedenkstunde zum Volkstrauertag stand im Zeichen der Terroranschläge von Paris. Aus Solidarität mit Frankreich war die Trauerhalle am Friedhof mit einer Tricolore geschmückt worden und man gedachte der Opfer des Anschlags. Bürgermeister Manfred Ockel (SPD) betonte in seiner Rede die tiefe Verbundenheit mit den Franzosen – natürlich auch mit Blick auf die Bürger der Partnerstadt Baugé-en-Anjou.

Mit rund 40 Gästen kamen diesmal weniger Besucher zur Gedenkstunde als in den Jahren davor. Die musikalische Gestaltung hatten der Volkschor und das Ensemble der Musikschule übernommen. Das Ensemble unter der Leitung von Karl-Ernst Eschborn spielte neben dem Stück „Svajone“ von Juozas Naujalis ein Andantino von Franz Xaver Reich. Die Lieder „Über den Sternen“ und „Nähe mein Herr, zu dir“, sang der Volkschor unter der Leitung von Matthias Minzberg.
Erinnert wurde an die Toten und Vertriebenen der beiden Weltkriege, aber auch aktuelle Ereignisse, wie die steigende Zahl der Menschen, die vor Gewalt und Terror fliehen, und die Attentate von Paris wurden von Bürgermeister Ockel angesprochen. Vor 70 Jahren sei der Zweite Weltkrieg und damit die Herrschaft der Nationalsozialisten zu Ende gegangen. „Der Krieg hat während und auch im Nachhinein sehr viel Leid verursacht und für viele Jahrzehnte Hass erzeugt“, erklärte Ockel, der an die rund 55 Millionen Toten in sechs Kriegsjahren erinnerte. Nur langsam hätten diese Gräben geschlossen werden können.
Vereint sei es den Alliierten und der damaligen Sowjetunion gelungen, Nazideutschland zur Kapitulation zu zwingen. Man habe allen Grund, für den aufopferungsvollen Kampf gegen die Nationalsozialisten dankbar zu sein, der es den Deutschen ermögliche, in Frieden zu leben. Die Verbrechen der Nazis werden immer ein wesentlicher Bestandteil der deutschen Erinnerung bleiben. Umso unerträglicher seien die Aufmärsche der Rechtsradikalen zu ertragen, die diese Verbrechen verherrlichten, sagte der Bürgermeister.
Die furchtbaren Anschläge in Paris könne man kaum verkraften, verstehen könne man sie nicht. Ockel wies auf die tiefe Freundschaft zu Frankreich hin, die von den Kanzlern der Nachkriegszeit gemeinsam mit den französischen Präsidenten gefestigt wurde. Er selbst habe mit Stadtverordnetenvorsteherin Helga Oehne (CDU) im Sommer in Baugé-en-Anjou an einer Gedenkfeier für die Opfer der Weltkriege teilgenommen. Am dortigen Ehrenmahnmal habe die deutsche Flagge neben der Frankreichs geweht – ein besonderes Zeichen der Verbundenheit. Nun trauere man in diesen Stunden mit den französischen Freunden, teile aber auch den Schmerz mit den Menschen in Ankara, wo ebenfalls bei einem Anschlag viele Menschen sinnlos ermordet worden seien.
„Europa steht nun vor einer Prüfung“, erklärte Ockel mit Blick auf die Flüchtlingskrise. Man müsse gemeinsam handeln und Egoismen überwinden, um den Menschen in Not zu helfen. „Solidarität darf nicht mehr nur von der Kanzel gepredigt werden.“ Man müsse gemeinsam gegen Terroristen und Rechtsradikale vorgehen und sich für eine gerechte Aufteilung der Flüchtlinge einsetzen. Freiheit und Demokratie entstünden nicht von allein. „Es braucht Menschen, die dafür kämpfen, sie bewahren und schützen“, so Ockel.
Auf dem Ehrenfriedhof gedachten die Teilnehmer anschließend der vielen Kriegsopfer, der Vertriebenen und der Opfer von Terrorismus, musikalisch begleitet vom evangelischen Posaunenchor. Die Jugendfeuerwehr stellte die Ehrenwache. (nad)

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