Protestzug zum Rathausplatz

Über 150 Unterstützer demonstrieren gegen geplante Kiosk-Schließung

„HÄNDE WEG VON UNSEREM KIOSK“: Mit Transparenten, Megafon und Trillerpfeifen marschierten die Demonstranten durch die Unterführung zum Rathausplatz.(Foto: Scherer)

Kelsterbach (nad). Laut war er, der Protest: Mit Trillerpfeifen und Megafon marschierten am Donnerstag über 150 Demonstranten vom Bahnhof Richtung Rathaus. Sie wollten ein Zeichen gegen die geplante Schließung des Kiosks im Quartier Auf der Mainhöhe setzen.
„Bürgerwillen durchsetzen“ und „Kioskabriss = Steuerverschwendung“ prangte in großen Lettern auf den Transparenten, die die Teilnehmer in die Luft hielten. Angeführt wurde der Protestzug von Demonstranten in gelben Westen, die einen aus Spanplatten nachgebauten Sarg trugen, auf dem in roten Buchstaben „Kiosk bleibt“ zu lesen war.

Erste Demo in Stadtgebiet

Seit Anfang Dezember protestieren Anwohner jeden Sonntag am Kiosk gegen die Schließung des Treffs. Nun gab es die erste Demonstration im Stadtgebiet. Die war nach Auskunft von Oliver Hiss vom Ordnungsamt auch rechtmäßig angemeldet.
Abgesichert gegen den Verkehr wurde der Protestzug, der vom Bahnhof über die Bergstraße und durch die Unterführung zum Rathausplatz führte, von Beamten der Kelsterbacher Polizeistation. 
„Der Kiosk an der Niederhölle darf und wird nicht schließen. Herr Ockel, bitte hören Sie auf die Stimmen der Anwohner“, rief Raimundo Cadenas immer wieder in das Megafon, teils übertönt von den Trillerpfeifen und „Finger weg von unserem Kiosk“-Rufen.
Vor allem gegen Bürgermeister Manfred Ockel (SPD) richtet sich der Protest. Ende Juni hatte die Stadt dem Betreiber Mehmet Karaüzüm zum 31. Dezember gekündigt. Die Kündigung wurde jedoch nicht sofort vollzogen, bislang hat der Kiosk weiter geöffnet – die Zukunft bleibt allerdings ungewiss. 

Kiosk-Verkauf verstoße gegen die guten Sitten

Der Verkaufsstand soll Platz machen für den Bürgertreff, der wegen eines Neubauprojekts der Nassauischen Heimstätte von seinem jetzigen Standort versetzt werden soll. Allerdings liegt der Fall derzeit vor Gericht, denn beide Seiten – Stadt und Pächter – streiten über die Rechtmäßigkeit der Kündigung. So habe der Vorbesitzer des Kiosks dem Pächter ein schriftliches Vorkaufsrecht eingeräumt, den Kiosk jedoch ohne Gewährung dieses Rechts an die Stadt Kelsterbach verkauft, lautet der Vorwurf der Demonstranten.
In einem offenen Brief wurde kritisiert, dass der Verkauf moralisch gegen die guten Sitten verstoße, auch weil man verpflichtet gewesen sei, den Vorbesitzer zu fragen, ob er dem Pächter das Vorkaufsrecht dem Pächter angeboten habe. Gegen die Kündigung wurden rund 1000 Unterschriften gesammelt.

„Unser Ziel ist nicht die Konfrontation“

Würde der Kiosk schließen, wäre sie sehr traurig, sagte Encarnacion Naranjo. Vor allem für den Besitzer aber auch die Anwohner wäre das schlimm, so die Spanierin, die seit vier Jahren im Quartier wohnt. Ihre Söhne würden oft am Kiosk etwas kaufen, auch ihr Mann treffe sich dort regelmäßig auf einen Kaffee mit einem anderen spanischen Anwohner. „Das ist dann wie in Spanien“, berichtete Naranjo.
Der Kiosk sei an seinem jetzigen Standort wie ein Zentrum für den Stadtteil. Dort treffe man sich, rede miteinander und helfe sich gegenseitig. „Das ist ein bisschen wie eine Familie“, so die Anwohnerin, die deswegen für den Erhalt protestierte.
Er sei sehr glücklich über die Solidarität der Menschen, sagte Mehmet Karaüzüm, der seit 1995 den Kiosk betreibt. Immer wieder kämen auch Kunden zu ihm und fragten nach dem Stand der Dinge.
Sein Sohn Mutlu betonte, dass man weiter jeden Sonntag eine Mahnwache am Kiosk abhalten werde und außerdem nun alle vier bis sechs Wochen eine Demonstration organisieren wolle. „Unser Ziel ist nicht die Konfrontation“, betonte Mutlu Karaüzüm. Man suche das Gespräch mit dem Bürgermeister.

Bürgermeister wartet genaue Rechtslage ab

Das forderten beim Protest einige Demonstranten mit „Ockel komm’ raus“-Rufen. Der Rathauschef war allerdings im Urlaub.
Der Bürgermeister hatte gegenüber dem Freitags-Anzeiger betont, dass er die Betroffenheit verstehe und nach Klärung der Rechtslage zum Gespräch mit Mehmet Karaüzüm über eine Lösung bereit sei. Allerdings, gab der Bürgermeister bereits damals zu bedenken, sei die Stimmung aktuell zu aufgeheizt.
Ockel hatte zudem betont, dass entgegen der Behauptung Einiger der Ende 2016 errichtete Bürgertreff gut genutzt werde und man fast jedes Wochenende die Räume für Kindergeburtstage und Feiern zur Verfügung stelle.

Kiosk spalte die Anwohner

In der letzten Sitzung des Stadtparlaments hatte der Bürgermeister auch darauf hingewiesen, dass der Bürgertreff Teil des von den Bürgern zusammen mit dem NH-Quartiersmanagement ausgearbeiteten Integrierten Handlungskonzepts gewesen sei. Der Kiosk, so Ockel weiter, spalte die Anwohner in Unterstützer, die sich dort treffen würden, aber auch in Gegner, die den Lärm rund um das Häuschen beklagten.
Der Betreiber wie auch sein Sohn sorgen sich derweil um die Zukunft der Familie. „Was soll mein Vater denn mit 59 Jahren noch machen?“, fragte der Sohn. Ihm bliebe dann nur Hartz-IV – das er noch in Anspruch genommen und immer gearbeitet habe.

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