Ohne die Tafel gäbe es hier Hunger

DGB prangert soziale Schieflage an – Armut auch ein Kelsterbacher Problem

DURCHWACHSENE RESONANZ: Etwa 35 Gäste waren zur Mai-Kundgebung des DGB gekommen. (Foto: Kriewitz)

Kelsterbach. „Solidarität, Vielfalt und Gerechtigkeit“, unter diesem Motto lud der Ortverband des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zur Maifeier in den Sportpark ein. Neben einem großen Junioren-Fußballturnier, ausgetragen vom 1. FC Viktoria, gab es in der Aula eine Kundgebung mit verschiedenen Gastrednern aus der Politik. 

Schon zum dritten Mal war Kai Eicker-Wolf, Leiter der Abteilung Wirtschaftspolitik beim DGB Hessen-Thüringen, als Gastredner zur Kundgebung geladen. Er kritisierte unter anderem die Aussage des neuen Gesundheitsministers Jens Spahn, der behauptet hatte, dass der Harz-IV-BezugⅠⅤ keine Armut bedeute. „Das Vermögen ist extrem ungleich verteilt. 60 Prozent des Vermögens in Deutschland ist in den Händen von nur zehn Prozent der Bevölkerung. Das ist so ungleich wie kaum in einem anderen Land in Europa“, so Eicker-Wolf, der unter anderem die verfehlte Steuerpolitik als Grund dafür nannte. 
Günter Schmidt und Rudolf Schmiedel vom Ortsverband des DGB berichteten hierzu von einem Besuch bei der Kelsterbacher Tafel: „Die Tafel ist in Kelsterbach absolut notwendig. Ohne sie gäbe es für viele Kelsterbacher Hunger“, so Schmiedel. Eine Grundsicherung durch Harz IV sei nicht gewährleistet. 
Hohen Handlungsbedarf sieht die Hessische Landtagsabgeordnete Kerstin Geis (SPD) besonders beim Thema Wohnraum: „In Hessen und besonders im Rhein-Main-Gebiet muss bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden“, so Geis.
Auch in der Wahrnehmung von Bürgermeister Manfred Ockel ist das Thema stark präsent: „Ich erlebe jeden Tag, wie die Menschen verzweifelt zum Rathaus kommen und auf Wohnungssuche sind.“ Innerhalb von zwei Jahren sei der Bodenrichtwert in Kelsterbach um 25 Prozent gestiegen. „Das sind Themen, die uns immens betreffen“, so Ockel. „Gemeinsam müssen wir Wege finden, um die Probleme zu lösen.“ Eine große Aufgabe sei die Gewährleistung eines guten Bildungssystems und die flächendeckende Versorgung mit digitaler Infrastruktur.
Allein bei den Schulen gäbe es einen Investitionsstau von 33 Milliarden Euro in Deutschland. Eicker-Wolf: „Wir dürfen die Infrastruktur nicht weiter verfallen lassen.“ Die Lage Kreis Groß-Gerau sei, was das betreffe, derzeit gut. „In Groß-Gerau wurde in den letzten Jahren enorm viel für Kitas und Schulen geleistet. Das hat aber seinen Preis“, stimmte Ockel zu, „der Kreis gehört zu den am meisten verschuldeten in Hessen.“
Mit Sorge verfolgte Landrat Thomas Will den Werdegang von Opel in Rüsselsheim. „In diesen Tagen wird die Erinnerung an 2009 wieder wach, wo es um die Rettung vor der Insolvenz ging“, sagte Will. Nun scheine, als ob Opel mit der Übernahme durch die Groupe PSA (Peugeot Société Anonyme) womöglich seine Zukunftsfähigkeit verloren habe. Arbeitnehmer seien im Ungewissen über ihre Zukunft. „Diese Angst und Unsicherheit schaden Opel und der Region“, erklärte Will. 
Besonders beschäftigt Kai Eicker-Wolf in diesen Tagen die Mitbestimmung, denn aktuell werden die Betriebsräte gewählt. Die seien großen Schwierigkeiten ausgesetzt: Rechte Gruppen wollen für ihre Zwecke mobilisieren. „Die Rechtspopulisten wollen den Keil der Spaltung immer tiefer in unsere Gesellschaft treiben, in der sie Angst vor allem vor Fremden, vor Veränderungen säen, Hass schüren und Gewalt provozieren. Das dürfen wir nicht zulassen“, fand auch der Vorsitzende des Ortsvereins des DGB Georg Germann. 
Landrat Thomas Will hat die Herausforderung erkannt: „Wir laufen Gefahr, dass eine rechte Partei auch in unseren hessischen Landtag einzieht. Ich möchte mir das nicht vorstellen.“ Die rassistische Grundeinstellung müsse jeden Tag aufs Neue bekämpft werden. „Rassismus und Faschismus dürfen in unserem Land nie wieder an Halt gewinnen.“
„Wir können uns kein „weiter so“ leisten“, erklärte Georg Germann abschließend, der viele Aufgaben auf die Politik zukommen sieht. „Wir werden unseren Koalitionspartnern auf die Finger schauen und deutlich machen, dass es nicht so bleiben darf.“ Bei der Kundgebung seien noch längst nicht alle Themen angesprochen worden. Zum Weiterdiskutieren und Ideen entwickeln lädt der Ortsverband herzlich neue Mitstreiter zum DGB ein. (mki)

Eigene Bewertung: Keine Durchschnitt: 1.5 (2 Bewertungen)


X