Die Kriterien voll erfüllt

Stadt erhält Fairtrade-Zertifizierung – Feierstunde

ENDLICH FAIRTRADE-TOWN! Das Zertifikat überreichte der Transfair-Botschafter Manfred Holz (links) an Bürgermeister Manfred Ockel und die Lenkungsgruppe. (Foto: Scherer)

Kelsterbach. „Ab heute spielt Kelsterbach in der Champions League zusammen mit London, Kopenhagen und München“, sagte Manfred Holz, Botschafter der Entwicklungshilfeorganisation TransFair. Die Untermainstadt hat es geschafft, sie darf sich ab sofort Fairtrade-Stadt nennen! Saarbrücken erhielt 2009 als erste deutsche Stadt das Label, nun wurde Kelsterbach offiziell zur 375. Fairtrade-Stadt ernannt. Die Urkunde bekam die Lenkungsgruppe während einer Feier in der IGS-Mensa überreicht.

Bis Kelsterbach zertifiziert wurde, habe es einige Mühe gekostet, verriet Thorsten Schreiner, der durch den Abend führte. Fünf Kriterien hatte die Stadt zu erfüllen um Fairtrade-Town zu werden.
Bereits 2012 hatte sich eine Lenkungsgruppe aus Verwaltungsmitarbeitern, Magistratsmitgliedern, Vertretern der Kirchengemeinden, der Parteien sowie der Vereine und dem Schulumfeld gegründet, die auf eine Fairtrade-Zertifizierung hinwirken wollte. Unfaire Produktions- und Arbeitsbedingungen in Entwicklungsländern sowie Kinderarbeit auf Plantagen müssten angeprangert werden, erklärte Thorsten Fern. Man wolle nicht nur Beobachter dieser Realitäten sein, sondern mit dem eigenen Konsumverhalten das Bewusstsein für gerechte und umweltschonende Produktionsbedingungen wecken, so der Sprecher der Lenkungsgruppe.
Mit der Gründung der Lenkungsgruppe und dem positiven Votum der Stadtverordnetenversammlung waren zwei der fünf Kriterien erfüllt. Hinzu kam der lokale Einzelhandel, dort gebe es immer mehr faire Produkte, darunter Kaffee, Tee, Zucker oder Bananen, so Fern. Mit dem Kiosk im Sport- und Wellnessbad und dem „Treffpunkt“ boten zwei Gastronomiebetriebe faire Produkte an. Zudem hatten sich die Schulen mit dem Thema auseinandergesetzt. Die Lenkungsgruppe ist auch regelmäßig auf dem Wochenmarkt und bei anderen Anlässen präsent.
Fern lobte den Einsatz der Projektleiterin Sonja Friedrich, die mit ihrer Zähigkeit und Ausdauer maßgeblich zum Erfolg beigetragen habe. Seit vielen Jahren fair aufgestellt seien die Friedensgemeinde mit ihrem Weltladen, der Tierschutzverein, die Country-Company, die Kolpingfamilie, der Verein Kleeblatt und der Kanu-Club.
Bürgermeister Manfred Ockel (SPD) lobte die Lenkungsgruppe, die mit viel Energie Überzeugungsarbeit habe leisten müssen. „Doch wir dürfen uns nicht auf dem Zertifikat ausruhen und müssen den Finger weiter in die Wunde legen“, betonte Ockel. Denn unfaire Löhne und Ausbeutung seien neben Krieg ein Grund für die Flucht vieler Menschen. Man kaufe täglich Produkte ohne die Produktionsbedingungen zu hinterfragen. Transfair wolle die Bedingungen für die Menschen vor Ort verbessern und eine gerechte Bezahlung durchsetzen, stoße dabei aber auch auf viele Hindernisse. Eine Chance sei die Gründung von Genossenschaften, damit die Produzenten gemeinsam die Märkte erschließen könnten, so Ockel.
Auch der Kreis Groß-Gerau ist Fairtrade zertifiziert. Für Landrat Thomas Will (SPD) geht es neben der Verbesserung der Bedingungen in den Produktionsländern auch um ein Umdenken in der Wegwerfgesellschaft. Fairtrade könne den Dingen wieder einen Wert geben und Fluchtursachen bekämpfen, da bei fairem Wettbewerb autoritäre Regimes schwerer Fuß fassen könnten, erklärte der Landrat.
Würde man eine Umfrage machen, seien 99 Prozent der Konsumenten gegen Kinderarbeit und Ausbeutung, erklärte Manfred Holz. „Aber wir sind alle Schnäppchenjäger“ so Holz. Man schaue der Zerstörung des Planeten zu, 60 Millionen Menschen seien aktuell auf der Flucht. „Solidarität muss ein globaler Begriff sein. Wir haben die große Verantwortung, dass diejenigen, die täglich unseren Tisch decken, auch satt werden“, mahnte der TransFair-Botschafter.
Viele Menschen würden das Fairtrade-Siegel kennen und hielten es für vertrauenswürdig. Noch sei der Anteil an fairen Waren in Supermärkten gering, so liege der Marktanteil fair gehandelter Kaffeebohnen bei gerade einmal drei Prozent. „Aber Deutschland ist weltweit der dynamischste Markt für faire Waren“, so Holz. Die Kommunen leisteten hier eine tolle Vorbildfunktion, wenn sie sich um das Fairtrade-Siegel bewerben. „Die Anforderungen sind hoch, aber erfüllbar, und den Titel bekommen Sie nicht geschenkt.“ Kelsterbach habe die Kriterien mit Bravour erfüllt, erklärte Manfred Holz.
Gefeiert wurde die Zertifizierung mit einem fairen Büfett. Für die musikalische Umrahmung sorgten Jessica Tanke und Johanna Hörster vom Duo „Ja, ich will!“. Außerdem informierte Kathrin Schell von der Organisation „Colombo3“ über ihr Projekt in Sri Lanka, das Frauen ein sicheres Einkommen bietet. Hergestellt werden dort Kleidung, Taschen und Stoffspielsachen.

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