Kelsterbacher Repair-Café spendet Räder

Martinsschrauber reparieren zehn Fahrräder für ukrainische Geflüchtete

Die Martinsschrauber mit Agneta Becker (Fünfte von links), Manfred Ockel (Dritter von rechts) und zwei ukrainische Flüchtlinge (rechts) mit den reparierten Rädern. (Foto: Koslowski)

 

Kelsterbach (rko). Da stehen die Räder, frisch poliert, verkehrssicher, bereit für kleine und große Radtouren. „Die sehen ja aus wie neu“, stellt jemand überrascht fest. Die Martinsschrauber der evangelischen St. Martinsgemeinde sind stolz auf ihre Leistung. Denn sie reparierten in knapp drei Wochen zehn Fundräder, die von der Stadt in der Integrierten Ganztagsschule eingelagert waren. Die Aufbewahrungsfrist war abgelaufen, kein Eigentümer hatte die Räder abgeholt. 

Jetzt spendet die Stadt die reparierten Fahrräder an die Flüchtlingshilfe, die sie an geflüchtete Menschen aus der Ukraine weitergibt. Ein Vater nahm bei der Übergabe im Hof des Gemeindehauses mit seinem Sohn gleich begeistert zwei Fahrräder entgegen. Zu den zehn Fahrrädern kommen noch sieben Räder hinzu, die von den Familien Bock, Dietrich, Draisbach, Ehrlich, Laun und Seifert gespendet wurden, berichtet Elke Laun, die Organisatorin der Martinsschrauber. Auch an ihnen musste noch ein wenig gebastelt werden.
Bürgermeister Manfred Ockel freut sich bei der Übergabe über das soziale ehrenamtliche Engagement. „Das ist eine tolle Leistung, das ist eine tolle Gruppe“, lobt er die Schrauber. Für die Räder hätten die Ukrainer sicher eine gute Verwendung. Sie erhielten damit die Möglichkeit, sich nicht nur innerstädtisch schneller fortzubewegen, sondern könnten auch bequem nach Raunheim und Rüsselsheim, sogar nach Frankfurt radeln, Freunde besuchen und Ausflüge unternehmen. 

Viele Teile kamen aus dem Lager der Martinsschrauber

Die Martinsschrauber hatten durchaus eine große Aufgabe zu bewältigen. Schläuche ersetzen, Beleuchtungen reparieren, Pedale ersetzen, neue Ständer montieren, Sattel austauschen und auch Klingeln anbringen. Das waren die notwendigen Reparaturarbeiten. Im Vordergrund stand die Verkehrssicherheit der Räder, sagt Laun. Viele Teile kamen aus dem Lager der Martinsschrauber. Auf den Ersatz kostspieliger Teile wie beispielsweise Tretlager wurde indessen verzichtet. Martinsschrauber Dieter Döbler berichtet von den Schläuchen als den größten Problemherd. Weil die Räder lange gestanden hatten, waren viele Schläuche porös. Er ist vom Fach, führte viele Jahre ein Fahrradgeschäft in der Rüsselsheimer Straße. Jedenfalls habe die Reparatur ihm und den anderen Schraubern viel Spaß gemacht.
Laun berichtet unterdessen, dass die Martinsschrauber wegen der Corona-Pandemie ein Jahr pausierten. Eigentlich treffen sie sich nur ein Mal im Monat. Angesichts der vielen Fahrräder hätten sie ihre Frequenz nun auf drei Mal in der Woche erhöht.
Auch Agneta Becker freut sich über die gelungene Aktion. Sie habe die Ukrainer mit Fahrrädern versorgen wollen, weil die Flüchtlinge sich über die großen Entfernungen gewundert hätten. „Die Ukrainer wollen sich umsehen und informieren“, sagt sie. Jetzt werde sie mit ihrem Team überlegen, wie die Fahrräder sinnvoll verteilt werden können. Eventuell werde sie den Bedarf mit einer Umfrage eruieren. 
Aktuell leben 250 Flüchtlinge aus der Ukraine in Kelsterbach. Einige von ihnen haben eine Bleibe bei Familien gefunden, mitunter auch bei ihren erwachsenen Kindern, die bereits hier lebten. 90 Ukrainer wohnen in vom Kreis angemieteten Hotels und Pensionen. Weitere 120 Flüchtlinge wohnen derzeit im Mercure Hotel. Es sind Eltern und ihre insgesamt 40, teils schwerstbehinderten Kinder. Sie habe begonnen, spezielle Einrichtungen für diese Kinder zu suchen, so Becker. Drei Familien werden Ende Mai nach München umziehen. 

Erste Sprachkurse für Geflüchtete starten 

25 Personen würden sofort wieder in die Ukraine zurückkehren wollen. Sie hätten festgestellt, dass es aufgrund der großen Sprachschwierigkeiten und der schweren Behinderungen nicht möglich sei, die Aufmerksamkeit zu finden, die sie benötigen würden. Becker stellt fest, dass es sehr schwer sei, Spezialisten und Einrichtungen für eine solche große Anzahl von Kindern mit Einschränkungen zu finden. Ende Mai werde eine erste Klasse bei der Volkshochschule mit Sprachunterricht beginnen. Zudem werden noch zwei Kurse mit privaten Lehrern angeboten. Aus ihrer Flüchtlingshilfe wolle eine junge Frau ebenfalls Deutschunterricht geben. Die schulpflichtigen Kinder nehmen unterdessen über Zoom-Calls online an dem Unterricht ihrer Klasse in der Ukraine teil. Nach den Sommerferien sollen diese dann auch die örtlichen Schulen besuchen. 
Bei der Suche nach Arbeit sei die Sprache ein Hindernis. Die wenigsten Flüchtlinge sprächen Deutsch und Englisch auf einem Niveau, auf dem sich eine berufliche Zukunft aufbauen lasse, so Becker. Fünf Personen hätten bisher eine Arbeit gefunden, eine Frau habe eine Ausbildung begonnen.
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