Kelsterbacher Geschäfte leiden unter Corona-Krise

Angst vor der Insolvenz – Märkte behelfen sich mit Lieferservice

EINEN HEFTIGEN UMSATZEINBRUCH erlebt der „Wäschekönig Caliskan“, vor allem weil Hotels, die zu den Kunden des kleinen Betriebs zählen, wegen der Corona-Pandemie geschlossen haben. (Foto: Soliman)

Kelsterbach (sol). Auch in Kelsterbach kämpfen viele kleine Läden inzwischen um ihre Existenz. Durch die Kontaktsperre und die Angst vor dem Coronavirus wagen sich viele Bürger nicht mehr aus dem Haus, was bei den Einzelhändlern zu stark verringerten Einnahmen führt.

Serkan Dogru, Inhaber der gleichnamigen Metzgerei, berichtete von etwa 50 Prozent weniger Umsatz. Neben dem Kerngeschäft mit den selbst hergestellten Fleisch- und Wurstwaren, verkaufen Dogru und seine Frau derzeit besonders viel Gemüse. Der Metzger selbst hat große Angst vor dem Virus, weshalb er grundsätzlich einen Mundschutz trage und sich „nach jedem Kunden seine Hände“ wasche, wie er betonte.
Wesentlich entspannter zeigte sich Bird Brauer angesichts der aktuellen Einschränkungen. Der Inhaber des „Café Glückslädchen“ legt zwar auch Wert auf Handhygiene, sagt aber auch: „Ich habe ganz allgemein keine Angst, ich habe ja nix“. Dass sich seine Kunden um ihre Gesundheit sorgen und den Weg in sein Café scheuen, kann er dennoch nachvollziehen. Deshalb gehe er auf Wunsch in der Mittagspause bei der Stammkundschaft vorbei, um ihnen persönlich Brötchen oder Rubbellose zu bringen. Einen richtigen Lieferservice anbieten kann er allerdings nicht, da er seinen Laden in Eigenregie führt. Trotz dieses speziellen Service schätzt Brauer, dass er derzeit etwa 30 Prozent weniger Umsatz mache, „Tendenz steigend“.

„Unsere Regale sind stets gefüllt."

Diese Sorgen teilte auch Mahmut Kurt. Anstelle der sonst üblichen 200 Kunden pro Tag, finden seit etwa zwei Wochen nur noch etwa 120 bis 130 Personen den Weg zu „Kurt’s Kelsterbacher Markt“. Kurt, der zur Sicherheit „alle fünf Minuten Desinfektionsspray“ benutze, machte dafür aber nicht nur die Situation rund um das neuartige Coronavirus verantwortlich. Aufgrund des anstehenden Monatsendes äußert er die Vermutung, dass „den Leuten das Geld ausgegangen ist“ und schaut deshalb vorsichtig optimistisch Richtung April. Über den familiengeführten Betrieb sagt er: „Unsere Regale sind stets gefüllt. Wir geben unser Bestes und arbeiten rund um die Uhr, um an Ware zu kommen“. Da die Inhaber großen Wert darauf legen älteren Menschen zu helfen, bauen sie aktuell ihren Lieferservice aus. Ab 50 Euro wird den Kunden ihre Ware kostenlos nach Hause geliefert, darunter fällt eine Servicepauschale an. 

Kleine Supermärkte bieten Lieferservice an, vor allem für ältere Menschen

Einen Lieferservice innerhalb des Stadtgebietes bietet auch „Deniz Markt“ im Unterdorf an. Die kostenlose Sonderleistung solle insbesondere älteren Menschen Schutz bieten, die so während der Krisensituation nicht gezwungen werden, das Haus zu verlassen. Aber auch hier sind, wie in jedem Supermarkt, Produkte wie Toilettenpapier, Mehl und Hefe derzeit Raritäten. Um seinen Kunden ihren Einkauf dennoch so komfortabel wie möglich zu gestalten, hat Inhaber Orhan Savas – der nach eigener Aussage bisher keinerlei finanzielle Verluste erleiden musste – seit Kurzem auch sonntags zwischen 10 und 15 Uhr geöffnet. Damit in seinem Laden das Ansteckungsrisiko möglichst gering bleibt, hat er eine durchsichtige Trennscheibe vor der Kasse angebracht und achtet darauf, dass die Kunden, trotz der schmalen Gänge, Abstand halten und lässt sie im Zweifel auch vor der Tür warten.

Inhaber des „Wäschekönig Caliskan“ nähen Mundschutze und verschenken sie

Bei „Wäschekönig Caliskan“ ist Abstand halten derzeit kein Problem. „Die wenigen Kunden warten freiwillig vor der Tür“, lobt Inhaberin Merve Caliskan die Kunden. Sie und ihr Mann haben sich mit ihrer Textilreinigung und Änderungsschneiderei erst vor wenigen Monaten in größere Geschäftsräume gewagt und haben nun „Angst vor der Insolvenz“. Da die Hotels, mit denen sie üblicherweise zusammenarbeiten und durch deren Aufträge sie ihre Einnahmen generieren, derzeit geschlossen sind, haben sie einen Umsatzeinbruch von nahezu 100 Prozent zu verzeichnen. „Es ist ganz schlimm geworden“, klagt die verzweifelte Besitzerin, die aufgrund der mangelnden Aufträge inzwischen ihre Mitarbeiterin freistellen musste. In der unfreiwillig gewonnenen Freizeit näht das Inhaberehepaar, beide gelernte Schneider, aus Stoffresten Mundschutze, die sie unentgeltlich über Facebook anbieten. Für Merve Caliskan steht hier, trotz ihrer eigenen prekären Lage, der karitative Gedanke im Vordergrund: „Wir wollen daran kein Geld verdienen, wir wollen nur helfen“.

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