Kelsterbach: Krimi-Lesung mit Weinprobe

Andreas Wagner präsentiert "Herrgottsacker" in der Stadt- und Schulbibliothek

Prosit: Manuel Becker mit seiner Frau Jana (Mitte), sowie Sabine Breidenbach genossen den Wein, aber auch die spannenden Kriminalgeschichten. Foto: POSTL

Kelsterbach –  Es ist Mittwochabend und in der der Stadt- und Schulbibliothek riecht es nach Wein. Gleich am Eingang stehen viele Weinflaschen unterschiedlicher Färbung, am Tisch daneben- mehrere Stapel von Büchern. 
Mit einer Krimi-Lesung mit Weinprobe stand vergangene Woche wieder eine besondere Veranstaltung auf dem Programm: Kulturelle Bildung für unterschiedliche Sinne.

Als alle der rund 40 Gäste ihre Plätze eingenommen haben, steht Weinkenner und Buchautor Andreas Wagner im Rampenlicht. „Also, wenn sie heute einen schönen Abend erwartet haben, muss ich sie enttäuschen. Es wird mörderisch und blutig“, überrascht der Autor die Gäste.
Der Weinbauer und Krimiautor stellt erst einmal sich und sein Familienumfeld vor. „Ach ja, unsere Eltern leben ja auch noch dort, damit hat nämlich alles angefangen“, scherzt Wagner. An einem Heiligen Abend habe sein Vater gefragt: „Was soll mal aus dir werden?“ Alle drei Brüder hätten etwas gelernt, worauf sich eine Zukunft, nach Ansicht seines Vaters, aufbauen kann. Ziel sei freilich gewesen, dass sie einmal das Weingut übernehmen.
„Das hat bei mir zuerst nicht so richtig funktioniert, denn ich habe erst einmal Geschichte und die tschechische Sprache studiert, um an der Universität in Prag aufgenommen zu werden. Dann habe ich eine junge Frau aus Dortmund kennengelernt, die einmal Winzerin werden wollte – also was blieb mir übrig: Ich bin auf unser Weingut zurückgekehrt“, schildert Wagner seinen Umweg zum Weinmacher.
Da er sich in arbeitsextensiven Zeiten unterfordert fühlte, wandte er sich dem Schreiben zu. „Bevor ich was Sinnloses philosophiere, wollte ich doch was Produktiveres machen – und das morbid-latente lag mir schon immer“, sagte Wagner.
Was als Experiment begann, entwickelte sich zu einem zweiten Standbein. „Und wozu schmeckt ein guter Wein am besten?“, fragte der Autor in den Raum. „Zu einem spannenden Krimi“, kam es zurück.
Schon bei der ersten Kostprobe wurden alle Sinne der lauschenden Gäste auf eine besondere Hör- und Geschmacksprobe gestellt. Wagner schilderte, wie ein älterer Herr mit seinem, schon etwas an Hüftleiden gezeichneten Hund „Bronko“, einen wenig begangenen Weg am Rande seines Wohnortes entlang ging. „Plötzlich hielt Bronko an, löste sich, und als ordentlicher Bürger hat der Hundehalter die noch dampfende und warme Hinterlassenschaft mit einem Beutel aufgenommen und ging weiter. Nach hundert Metern passierte er die Villa eines akademisch gebildeten Ehepaares, das alles überwachte, aber zu dieser Zeit immer im Sportstudio war. Also warf er den Beutel über den Zaun, sodass er gegen das Glas der Terrassentür klatsche und dort liegenblieb“, trug Wagner eine Passage aus seinem neuesten Krimi „Herrgottsacker“ vor. Die Reaktionen aus dem Publikum waren sehr unterschiedlich.
„Nach einer Weile, Bronko war etwas weiter vorausgeeilt, schnüffelte dieser an einem frischen Erdhügel, der durch die Erweiterung des Friedhofes aufgeschüttet worden war. Bronko kam freudig und schwanzwedeln mit etwas in seinem Maul zurück, entzog sich aber dem Zugriff des Herrchens. Dieser wusste als Metzger mit reichlicher Erfahrung über Knochen, dass dieses Teil im Maul von Bronko nicht von einem Schwein oder einer Ziege, auch nicht von einem Schaf und schon gar nicht von einer Kuh stammen konnte. Dort wo Bronko den Knochen fand, und er fand noch weitere, stand zuvor eine Gartenlaube. Zunächst deutet alles darauf hin, dass die Knochen aus einem der Gräber des nahen Friedhofs (Herrgottsacker) stammen. Doch dann verdichten sich die Hinweise auf einen Mord, der erst wenige Jahre zurückliegt – und niemand schien den Toten zu vermissen. Kriminalhauptkommissar Harro Betz und seine Kollegen Ravi Bingenheimer und Tobias Schmahl stehen vor einer harten Probe. Wie sollen sie ein Verbrechen aufklären, dessen Opfer gar nicht zu existieren scheint?
„Es geht jetzt weiter mit einem Rosé-Wein, dann folgt wieder eine kurze Passage –und zum Ende wird es richtig blutig: die Geschichte aber auch der Wein“, warnte Wagner schon mal die Besucher der Lesung mit Weinprobe vor. „Wir sind auf alles vorbereitet, notfalls beruhigen wir unsere Sinne mit etwas mehr Wein“, sagte Manuel Becker. „Ich habe mich vorher im Internet über Andreas Wagner informiert, aber ihn und seine Geschichten selbst zu erleben, ist schon etwas Besonderes – den Wein nicht zu vergessen“, war auch Sabine Breidenbach von der Veranstaltung ganz begeistert. 

VON LEO F. POSTL 

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