Kelsterbach erhält Fördergeld für Smart-City-Projekt

Land Hessen gibt 390 300 Euro / Digi-Shop-Café mit Stadtlabor geplant

Einen Förderbescheid aus Wiesbaden hatte Digitalstaatssekretär Patrick Burghardt (rechts) mitgebracht, den er Bürgermeister Manfred Ockel überreichte, in Anwesenheit der CDU-Landtagsabgeordneten Sabine Bächle-Scholz und dem Ersten Stadtrat Kurt Linnert (links). Foto: Scherer

Kelsterbach – Selten schien die Begeisterung für eine Umkleidekabine so groß. Online bestellte Kleidung direkt im Digi-Shop-Café abholen, anprobieren und – wenn es nicht passt – wieder zurückschicken. Ohne dass der Kleintransporter mit den Paketen durch die ganze Stadt fahren muss und diese einzeln abliefert. „Das verhindert Müll und Verkehr und ist eine Super-Idee“, zeigte sich Digitalstaatssekretär Patrick Burghardt von dem Plan der Stadt Kelsterbach begeistert. Einen Förderbescheid über 390 300 Euro hatte Burghardt auch dabei und überreichte diesen Bürgermeister Manfred Ockel am vergangenen Freitagvormittag im Fritz-Treutel-Haus.

Natürlich nicht für eine Umkleidekabine. Die ist nur ein kleiner Teil des Projekts „Smart City Kelsterbach – Gutes & gesundes Leben in Kelsterbach“, mit dem sich die Stadt um Fördergelder aus dem Programm „Starke Heimat Hessen“ des Landes Hessen erfolgreich beworben hatte. Ziel ist eine digitale, vernetzte und intelligente Stadt im Sinne einer Smart City.
Bürgermeister Ockel betonte, dass das Digitalministerium und das Wirtschaftsministerium mit ihren Förderprogrammen in den vergangenen Jahren wichtigste Kooperationspartner gewesen seien. So hat die Stadt etwa vom „Digitalpakt Schule“ oder das Städtebauförderprogramm „Sozialer Zusammenhalt“ profitiert.
Seit einigen Jahren habe sich die Stadt das Thema Digitalisierung auf die Fahnen geschrieben, das auf drei Säulen fuße: der Digitalisierung innerhalb der Verwaltung, der Schulen und das Thema Smart City. So werden auf Grundlage des Onlinezugangsgesetzes immer mehr Dienstleistungen im Rathaus auch digital angeboten. Das sei, so Ockel, nichts revolutionäres, da andere Kommunen das auch machen würden. Immerhin, zwei Digitalisierungsbeauftragte kümmern sich darum, die Angebote zu erweitern. „Gerade im Bürgerbüro fruchtet das, da immer mehr Menschen Dienstleitungen digital erledigen können“, sagte der Bürgermeister.
Intensiv war in den vergangenen beiden Corona-Jahren der Austausch mit den vier Kelsterbacher Schulen. Diese wurden auch mit Unterstützung des Förderprogramms „Digitalpakt Schule“ mit Digitaltechnik ausgestattet und können auf 389 iPads, 136 Laptops und 80 Tafellösungen zurückgreifen.
Vorantreiben will die Stadt auch den flächendeckenden Ausbau des Glasfasernetzes, dazu kommen mittlerweile 37 WLAN--Hotspots an allen wichtigen Plätzen der Stadt über die „Digitale Dorflinde“ des Landes. Der Bürgermeister betonte, dass man die Bevölkerung beim Thema Smart City für die Möglichkeiten sensibilisieren und behutsam ins „digitale Zeitalter mitnehmen“ müsse.
Angelika Niederberger, Leiterin der städtischen Wirtschaftsförderung, verwies auf das Starterpaket, das Kelsterbach mit der Auszeichnung des Mainova Smart City-Preis Ende 2021 erhalten habe: Ein LoRaWAN-Gateway und bis zu zehn Sensoren, die Verkehrsströme an Kreuzungen erfassen und auswerten können, sowie die Installation eines Umweltsensors zur Messung der Luftqualität und eines Niederschlagssensors.
Mit den Fördergeldern aus dem Programm „Starke Heimat“ sollen die Bereiche Umwelt und Gesundheit in den Fokus rücken. Zentrale Elemente sind eine urbane Datenplattform, die Wetter- und Umweltdaten sammelt und mit Gesundheitsangeboten verknüpft, sowie ein Digi-Shop-Café mit Stadtlabor.
„Daten aus Sensoren allein machen keinen Sinn, die müssen interpretierbar sein“, sagte Niederberger. Diese Aufgabe wird an eine Doktorandenstelle der Hochschule RheinMain verwiesen. Denn mit diesen Daten, so heißt es im Projektantrag, sollen die Wohn- und Lebensqualität sowie das Stadtklima verbessert werden. 
Ein weiterer Baustein ist ein Stadtlabor mit Café – die räumliche Schnittstelle zwischen digitaler und analoger Welt – mit niedrigschwelligen Angeboten. Ansprechpartner wird ein noch einzustellender Digital-Coach sein, der die Menschen mitnehmen soll“, so Niederberger. Eine Idee ist, in dem Stadtlabor besagte Umkleidekabine zu installieren, damit Bürger ihre Onlinebestellungen von Bekleidung dorthin liefern lassen können, sie anprobieren und dort auch wieder zurückschicken können – um Lieferverkehr in der Stadt zu reduzieren. Starten soll das Projekt am 1. Juli, die Laufzeit ist auf zwei Jahre angelegt. Für die Ausstattung und Anmietung des Digi-Cafés sind rund 46 000 Euro vorgesehen. Den Projektplan mit Umsetzung ausarbeiten wird die NH-Projektstadt. Der Standort des Digi-Cafés ist noch ungeklärt. Geplant war eine leer stehende Fläche im Riegelbau der Stadtmitte, dort ist jetzt jedoch die Krankenkasse BKK eingezogen – die als Projektpartner die Gesundheitsangebote stellen möchte. Wie Andreas Bonn, Leiter des Service Center Hessen erklärte, beginne man im Sommer mit den Vorbereitungen und plane zum 1. Oktober den Start der Gesundheitsangebote für alle Altersgruppen. Derweil schaut sich die Stadt nach Alternativen für den Standort um. Bürgermeister Ockel brachte das geplante Stadtteil-, Bildungs- und Beratungszentrum in der Mönchbruchstraße ins Spiel.
Digitalstaatssekretär Burghardt lobte, dass in Kelsterbach Digitalisierung ganzheitlich gedacht werde. Die Fördermittel, über deren Vergabe eine Jury entschieden habe, sollten es der Stadt nicht nur ermöglichen, Daten zu erheben und zum Vorteil von Mensch und Umwelt einzusetzen, sondern diese auch sauber und sicher zu sammeln.
Ockel kündigte an, dass das 3D-Stadtteilmodell, das die NH-Projektstadt unter dem Namen „Your Voice“ erstellt hat, erweitert werden soll. Ziel sei, irgendwann das komplette Stadtgebiet als interaktives Modell abzubilden, angefangen beim Fördergebiet „Klimainsel“. Dies sei ein wichtiges Medium zur Bürgerbeteiligung. Von Nadine Scherer
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