Empörung über Trassenverlauf

Planung für Regionaltangente West nimmt Fahrt auf – Höherer Flächenbedarf

AM SCHWANHEIMER KNOTEN soll ein 14 Meter hohes Brückenbauwerk für die Regionaltangente West entstehen. Der Trassenverlauf soll dann auf Kelsterbacher Seite weitergeführt werden. (Foto: Postl)

Kelsterbach (pos). Die Regionaltangente West (RTW) ist eine seit Jahrzehnten geplante Schienenverbindung im Rhein-Main-Gebiet zur Verbesserung des öffentlichen Schienenpersonennahverkehrs im Ballungsraum Frankfurt/Rhein-Main. Nun nehmen die Pläne Gestalt an – parallel dazu wächst die Angst in der Bevölkerung vor der Dimension des Vorhabens.

Wie stark die Gemarkung Kelsterbach von der geplanten Trassenführung betroffen sein wird, erläuterte der Geschäftsführer der RTW-Planungsgesellschaft, Horst Amann, in einer Bürgerinformationsveranstaltung in der Mensa der IGS Kelsterbach. Zur Infoveranstaltung waren nicht nur zahlreiche Anwohner aus dem Bereich der Aussiger Straße, sondern auch aus Schwanheim gekommen.
„Ich wohne derzeit in einer Mietwohnung, beabsichtige aber, mir hier ein Haus zu kaufen. Da will ich schon wissen, was da in Sachen RTW auf uns zukommt“, meinte eine junge Kelsterbacherin. Ein ganzer Familienverband war aus Schwanheim angereist, da die Trasse mitten durch ihr Gartengrundstück führen soll. „Unser schönes ruhiges Landleben dort können wir wohl abschreiben, denn gegen diese Macht der Planer sind wir chancenlos“, so eine Seniorin, die dort ihr halbes Leben verbracht hat.

30 Prozent des Individualverkehrs sollen auf die Schiene

Horst Amann umriss kurz die Hintergründe für den Bau der Tangente und erläuterte den Stand der Dinge. „Der Frankfurter Hauptbahnhof ist genauso überlastet wie die innerstädtischen Straßen. Ziel ist es, rund 30 Prozent des Individualverkehrs auf die Schiene zu bringen, jedoch nicht über den Frankfurter Hauptbahnhof, sondern im Westen um die Stadt herum“, so Amann. Der auf der Veranstaltung offen gelegte Schienenverlauf im Bereich Kelsterbach sieht vor, dass der Neubau der Trasse von der Leunabrücke mittig über den „Schwanheimer Knoten“ auf Kelsterbacher Gemarkung führt. Neben der B43 soll die Trasse über Kelsterbacher Gebiet führen, dann den Kelstergrund durchschneiden, um unterhalb der Anlage des Tennisclubs Kelsterbach wieder auf Frankfurter Gemarkung zurückzukehren.
Für die Überquerung des Schwanheimer Knotens ist ein Brückenbauwerk von 14 Metern Höhe über dem derzeitigen Straßenniveau nötig. Im Bereich des Kelstergrunds wird ein nicht minder hoher Damm aufgeschüttet. Über ein Galeriebauwerk wird die Trasse dort über die B43 auf die Ostseite zurückgeführt.
„Dies alles ist nötig, weil wir auf der anderen Seite der B43 den besonders geschützten Frankfurter Stadtwald haben“, begründete Horst Amann die Trassenführung. Der Waldverlust dort würde rund zehn Hektar betragen. Auf Kelsterbacher Seite wurden vor wenigen Jahren über 250 Hektar Bannwald für den Bau der Landebahn Nordwest eingeschlagen, nun wird wiederum Fläche beansprucht. Fallen müsste das Wäldchen im Kelstergrund, ein Teil des geschützten Feuchtbiotop-Geländes würde vernichtet. Im Publikum verfestigte sich der Eindruck, dass die Frankfurter Nachbarn, in deren Interesse der Trassenbau liegt, nicht einen einzigen Baum opfern möchten. „Ich sehe dort nur ein paar ohnehin stark geschädigte Bäume und einen Schotterweg, das ist doch kein Grund, dort keinen Eingriff zuzulassen“, wurde Kelsterbachs Bürgermeister Manfred Ockel sehr deutlich. Aufgrund der hohen Trassenführung hatten viele Anwohner ihre Bedenken über zusätzlichen Lärm geäußert. „Ja, es gibt dort Lärm, aber die RTW werden sie nicht hören“, versicherte Horst Amann.

Gesamtkosten der Regionaltangente liegen derzeit bei 720 Millionen Euro

Ein weiterer Kritikpunkt waren die Zufahrten zu den Baustellen. Sie sollen über die Bereiche Sportfeld und Hinkelstein geführt werden und nach Abschluss der Bauarbeiten als Rettungswege erhalten bleiben. „Dem werden wir auf keinen Fall zustimmen, da muss sich Hessen Mobil etwas anderes einfallen lassen“, machte Bürgermeister Ockel fest. Dass es in Kelsterbach keinen Haltepunkt geben wird, begründete Manfred Ockel mit dem mangelnden Bedarf und vor allem mit den Kosten, die derzeit auf über 80 Millionen Euro geschätzt werden. Dafür gäbe es zwar reichlich Zuschüsse, doch es würde auch weiteres Gelände benötigt.
Die Gesamtkosten der Regionaltangente belaufen sich derzeit auf geschätzte 720 Millionen. Die Kosten von rund 120 Millionen Euro für die Fahrzeuge sind von den Verkehrsgesellschaften zu tragen. Die Stadt befürwortet das Projekt zwar grundsätzlich, beanstandete jedoch die Trassenführung, die nicht optimal geplant sei. Der Bürgermeister dringt auf den vollständigen Schienenverlauf östlich der B40/B43. Auch soll es eine weitere Informationsveranstaltung mit Visualisierungen des Streckenverlaufs geben, bevor es in das Genehmigungsverfahren geht. „Noch fährt das Ding nicht – und es wird auch nicht so schnell fahren“, zeigten sich viele Kelsterbacher kämpferisch.

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