Einsatz für die Willkommenskultur

Rund 200 Gäste beim Benefizkonzert für Flüchtlinge – Erlös für Unterrichtsmaterial

RUND 200 GÄSTE, darunter viele Flüchtlinge, lauschten den musikalischen Beiträgen. (Foto: Scherer)

Kelsterbach. Viele Kelsterbacher engagieren sich ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe. Doch ohne finanzielle Unterstützung ist es schwierig, die Angebote, darunter die für die Integration wichtigen Deutschkurse, zu stemmen. Am Sonntagabend hatte der Verein Kleeblatt zusammen mit der Stadt deswegen ein Benefizkonzert organisiert. Alle Einnahmen aus dem Verkauf der rund 160 Eintrittskarten sowie der Bewirtung werden für die Flüchtlingsarbeit verwendet.

Etwa 200 Gäste, darunter viele der aktuell rund 150 in Kelsterbach lebenden Flüchtlinge, waren zu dem gelungenen Konzert ins Fritz-Treutel-Haus gekommen. Neben dem Handharmonika-Spielring Kelsterbach (HSK) traten der Polizeichor Frankfurt, die Big-Band der Musikschule Kelsterbach sowie der Chor der evangelischen koreanischen Kirchengemeinde URI auf. Im Foyer versorgten die Fairtrade-Gruppe der Stadt und der Tierschutzverein Kelsterbach die Gäste mit Getränken sowie belegten Brötchen und Hamburgern.
Zwei Gründe habe es für das Konzert gegeben, erklärte Georg Lauter. So wolle man darauf aufmerksam machen, dass es trotz der aktuellen Flüchtlingsdebatte in Deutschland immer noch viele Menschen gebe, die sich für die Willkommenskultur einsetzten, so der Kleeblatt-Vorsitzende. „Ich habe schon das Gefühl, dass die Stimmung kippen könnte.“ So seien auch in Kelsterbach im Vorfeld einige Plakate für das Benefizkonzert abgerissen worden, sagte Lauter.
Weiter sollen mit den Konzerteinnahmen Unterrichtsmaterialien für die Deutschkurse finanziert werden. Die seien nämlich teuer, erklärte Georg Lauter. „Und die Politik sieht darin leider immer noch keine staatliche Aufgabe“, beklagte Lauter die mangelnde Unterstützung der Ehrenamtlichen durch den Bund. Derzeit lernen in Kelsterbach rund 100 Flüchtlinge in neun Kursen die deutsche Sprache. Zwei davon richten sich an Frauen. Damit diese auch Zeit haben, Deutsch zu lernen, kümmert sich Kleeblatt um die Kinderbetreuung. Laut dem Vereinsvorsitzenden belaufen sich die jährlichen Ausgaben des Vereins für die Flüchtlingshilfe auf rund 3000 Euro.
Mit dem Kauf einer Konzertkarte unterstützten die Gäste somit den guten Zweck und bekamen dafür ein abwechslungsreiches Programm geboten. Der HSK unter der Leitung von René Senges eröffnete das Konzert mit dem Strauß-Walzer „Wein, Weib und Gesang“. Außerdem spielten die Musiker einen Medley mit Italo-Pop-Hits sowie die Melodie aus dem Musical „Phantom der Oper“. Auch die Big-Band der Musikschule überzeugte mit fetziger Musik aus der Swing-Ära.
Viel Applaus gab es für den Polizeichor Frankfurt, der unter anderem den Gefangenchor „Va, pensiero“ aus Verdis Oper „Nabucco“ und den „Trumpet Tune“ von Henry Purcell sang. Beeindruckend war der stimmgewaltige Auftritt des Chors der evangelischen koreanischen Kirchengemeinde, der mehrere Lieder des britischen Komponisten John Rutter sang, darunter „All things bright and beautiful“ und „For the beauty of the earth“.
Auch zwei Flüchtlinge gestalteten das Programm mit. Auf der Bühne erzählte Mehdi Dokouhaki, der seit neun Monaten in Kelsterbach im Airport-Hotel lebt, seine Geschichte. Der 29-Jährige kommt aus dem Iran und war in Teheran Professor an einer Universität. Er sei den vielen Helfern in Kelsterbach dankbar und würde gerne selbst arbeiten. „Was uns alle und mich persönlich belastet, ist die Verfahrensdauer, die uns zum Nichtstun zwingt“, so Dokouhaki.
Im Foyer waren Handyfotos des afghanischen Fotografen Hassan Houseini ausgestellt. Der 29-Jährige zeigte einige Momentaufnahmen aus dem Erstaufnahmelager in Gießen sowie erste Eindrücke von Kelsterbach und einige bearbeitete Konzeptbilder.
Jeder Flüchtling habe seine eigene Geschichte und sein eigenes Leid, sagte der ehemalige Erste Stadtrat Kurt Linnert, der durch das Programm führte und in dessen Händen bis zum Ende seiner Amtszeit das Thema Flüchtlinge lag. Linnert lobte das Engagement der Vereine, die sich für Flüchtlinge einsetzten. Man habe Flüchtlinge aus zehn verschiedenen Ländern in Kelsterbach untergebracht, und er glaube, dass sich die Menschen hier heimisch fühlen werden, so Linnert.
Wie der Erste Kreisbeigeordnete Walther Astheimer (Grüne) im Rahmen einer Gesprächsrunde erklärte, kommen aktuell pro Woche rund 100 Flüchtlinge im Kreis Groß-Gerau an. In diesem Jahr hat der Kreis bisher rund 1300 Menschen aufgenommen. Insgesamt muss der Kreis bis Ende 2015 etwa 2600 Flüchtlinge unterbringen. „Das ist eine große Herausforderung“, so Astheimer. Dies sei nur mit Hilfe der ehrenamtlichen Helfer zu schaffen. „Aber wir dürfen die Menschen vor Ort nicht ohne Unterstützung lassen, denn das Ehrenamt kann auch an seine Grenzen stoßen“, betonte Astheimer. Auch die Politik müsse hier etwas tun, so der Erste Kreisbeigeordnete. (nad)

Eigene Bewertung: Keine Durchschnitt: 4.7 (3 Bewertungen)


X