Eichen sterben schneller als gedacht

Über die Fraport-Ausgleichsmaßnahmen informierten sich nur wenige Bürger

INS GESPRÄCH kam der Kelsterbacher Reinhold Hörner (links) mit den Fraport-Vertretern Stefan Sorg und Markus Bernhard. Interessiert verfolgt der Mörfelder Dirk Treber (2. von links) die Diskussion. (Foto: Postl)

Kelsterbach. Der Bau der Nordwestbahn bedeutete für die Kelsterbacher den Verlust eines Großteils ihres Stadtwaldes. Bäume wurden gefällt, Lebensräume beschädigt. Die Fraport wurde deshalb verpflichtet, Ausgleichsmaßnahmen umzusetzen.

Um interessierte Bürger über den aktuellen Sachstand der Maßnahmen zu informieren und ihnen an Ort und Stelle die bereits durchgeführten Aktivitäten zu zeigen, bot das Umwelt- und Nachbarschaftshaus eine Informationsveranstaltung zum Umweltmonitoring mit anschließender Exkursion an. Das Interesse hielt sich in Grenzen, gerade mal sieben Teilnehmer waren erschienen. Für den Veranstalter war die Resonanz eine Enttäuschung, hatte man doch hochqualifizierte Referenten gewinnen können.
Ute Windisch von der Technischen Hochschule Mittelhessen stellte den Zusammenhang von Flechtenvorkommen auf Baumrinden und der Luftqualität vor. „Das fein ausbalancierte Stoffwechselgeschehen zwischen den Partnern der Flechtensymbiose ist störungsanfällig gegenüber Umweltveränderungen“, so die Grundaussage von Ute Windisch. Seit 1992 wird ein entsprechendes Umweltmonitoring „Immissionsbezogene Flechtenkartierungen am Flughafen Frankfurt“ durchgeführt.
„Flechten als lebende Organismen geben Aufschluss über die Wirkungen von Umweltzuständen“, erläuterte die Professorin. „Mit zunehmender Verbesserung der lufthygienischen Verhältnisse innerhalb des Untersuchungszeitraumes – hervorgerufen durch verminderte Immissionen – stieg am Flughafen die Flechten-Artenzahl bis 2012 stetig an“, überraschte Windisch ihre Zuhörer. Der Vergleich der Flechtenvegetation zwischen 1992 und 2012 zeige einen deutlichen Anstieg von Arten. Auf 216 Bäumen konnten insgesamt 74 Flechtenarten festgestellt werden.
Die beiden Vertreter der Fraport, Markus Bernhard und Stefan Sorg, erläuterten die Maßnahmen, die als Auflage des Planfeststellungsbeschlusses, sowohl vor dem Bau der Landebahn Nordwest als auch nach ihrer Inbetriebnahme umzusetzen waren und auch noch weiter fortzusetzen sind. Hier seien die Umsiedlungen von zahlreichen Tierarten, von der italienischen Schönschrecke über Hirschkäfer und Amphibien bis hin zu Fledermäusen als Beispiel genannt. In zahlreiche Totholzstämme wurden Löcher gebohrt, damit sich dort Insekten ansiedeln.
Insbesondere bei den Kelsterbachern Bürgern stößt die Auflage, eine Heidefläche zu schaffen, auf wenig Gegenliebe, da hierfür weitere Bäume gefällt wurden und noch gefällt werden sollen. „Wir wollen keine Heide, wir wollen unseren Restwald erhalten wissen, der uns vor Lärm schützt und zudem die Luft filtert“, forderte Reinhold Hörner, der in der Berliner Straße wohnt.
Der Biologe Andreas Malten vom Forschungsinstitut Senckenberg erläuterte das Monitoring der Lebensraumtypen anhand der Biotopkartierung. Diese Daten werden öffentlich im Bürger-GIS dargestellt.
Was ist eigentlich Monitoring? Dies versuchte Ralph Knöß vom Netzwerk Grün zu vermitteln. „Monitoring ist ein Überbegriff für alle Arten der unmittelbaren systematischen Erfassung, Beobachtung oder Überwachung eines Vorgangs oder Prozesses mittels technischer Hilfsmittel – ähnlich wie ein Langzeit-EKG – oder anderer Beobachtungssysteme.“
Beim Rundgang nördlich der Landebahn Nordwest wurde deutlich, dass aktuelle Naturentwicklungen in der Planfeststellung nicht berücksichtigt wurden, da niemand mit ihnen so weit im Voraus gerechnet hat. Entsprechend den Vorgaben soll aus dem Kelsterbacher Wald die Traubenkirsche und insbesondere die Küstentanne entfernt werden. Im Schutz der Alteichen wollte man bevorzugte Laubholzarten nachpflanzen. Doch gerade die für den Überbau benötigten Alt‧eichen sterben in unerwartetem Ausmaß ab.
Wie der für den Kelsterbacher Wald zuständige Leiter der Kelsterbacher Kommunalbetriebe, Eric Schulz-Gabel, bestätigte, ist dieses Absterben jedoch keine Besonderheit entlang der Landebahn Nordwest. „Wir haben hier zwar eine besondere magere Bodenstruktur, doch auch in anderen Waldflächen müssen wir derzeit einen überdurchschnittlichen Ausfall von Alteichen registrieren.“
Die Gründe hierfür sind allerdings noch nicht bekannt. „Sicherlich tragen viele Faktoren dazu bei“, verwies Eric Schulz-Gabel auf die Absenkung des Grundwasserspiegels durch den Verlust von über 250 Hektar Wald als auch auf verschiedene Umwelteinflüsse, wie heiße und regenarme Sommer. (pos)

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