Vom Bauerndorf zur Kleinstadt

Heimatnachmittag „Kelsterbach einst und heute“ lockte 200 Gäste in den Bürgersaal

Faszinierende Fotos von der Landwirtschaft in Kelsterbach zeigte Karl Schmiedt (links) vom Volksbildungswerk beim Heimatnachmittag im Fritz-Treutel-Haus. (Foto: Scherer)

Kelsterbach. Ein zweites Frankfurt sollte Kelsterbach werden, oder zumindest ein neues Straßburg. Eine Handelsstadt, eine Festung mit Hospitälern, Schulen und einer eigenen Gerichtsbarkeit. Auch zwei Messen soll die Stadt erhalten, die zeitlich vor denen in Frankfurt liegen.

Ehrgeizige Visionen für die Untermainstadt hatte Ende des 17. Jahrhunderts Pfarrer Philipp Georg Wicht. Diese, festgehalten in heimatkundlichen Beiträgen und vorgetragen vom Volksbildungswerk-Vorsitzenden Hartmut Blaum, sorgten beim Heimatnachmittag im Fritz-Treutel-Haus für viele Lacher bei den Gästen. Dabei hatten die Forderungen einen ernsten Hintergrund: Nach dem Dreißigjährigen Krieg lebten in dem Dorf nur noch knapp 60 Seelen. Es mussten Menschen nach Kelsterbach kommen. Heute kommen sie, mittlerweile liegt die Einwohnerzahl bei fast 16 000, die Stadt hat sich in den letzten Jahren rasant entwickelt.
Unter dem Motto „Kelsterbach, einst und heute“ hatten die SPD AG 60 plus, das Volksbildungswerk Kelsterbach, die DGB Ortsgruppe, der Volkschor, der Filmclub und die katholische Kirchengemeinde Herz-Jesu zu einem geselligen Heimatnachmittag in den Bürgersaal eingeladen.
Über 200 Gäste waren gekommen, darunter die Stadtverordnetenvorsteherin Helga Oehne (CDU) und der Erste Stadtrat Kurt Linnert (SPD), der den Organisatoren ein großes Lob für die gelungene Veranstaltung mit einer Fotoausstellung und verschiedenen Filmen aussprach.
„Es liegt uns am Herzen, eine schöne Veranstaltung für die Senioren der Stadt zu organisieren“, erklärte Günter Schneider, der zusammen mit Margarete Sandner von der SPD AG 60 plus den Nachmittag seit vielen Monaten geplant hatte. Allerdings richte sich die Veranstaltung nicht nur an die Generation 60 plus. „Wir würden uns natürlich freuen, wenn auch junge Menschen dazukämen“, betonte Schneider.
Man wolle den älteren Menschen in Kelsterbach zeigen, wie sich die Stadt in den letzten Jahren entwickelt hat, sagte Margarete Sandner. Dankbar war die Organisatorin vor allem den engagierten Vereinen, die den Nachmittag mitgestalteten. „Ohne diese Helfer wäre das gar nicht möglich gewesen“, so Sandner.
Die Geschichte des Volkschores, der in diesem Jahr sein 150-jähriges Bestehen feiert, wurde mit einem Filmbeitrag und einem Vortrag von Heinrich Hoffmann aufgerollt. Nicht fehlen durfte da der Hinweis auf den Dirigenten Alfred Kunst und das von ihm komponierte Lied „Perle am Untermain“. Kunst hatte auch das mittlerweile aufgelöste Gesangsquartett „Main-Spatzen“ gegründet, einige ehemalige Mitglieder saßen im Publikum und lauschten.
Einen Blick in die Vergangenheit boten ein Film von Roland Schmidt (Filmclub Kelsterbach) über die Entwicklung der Stadt bis 2007 sowie ein kurzer Vortrag von Erhard Stenzinger über die 50-jährige Geschichte der St. Markuskirche.
Hartmut Blaum vom Volksbildungswerk stellte den Film „Kelsterbach Familienstadt“ vor, den die Stadt von einer Rüsselsheimer Werbeagentur drehen ließ. In den letzten Jahren habe sich viel in Kelsterbach getan. „Aber wer sich nicht selbst bewegt, der wird bewegt. Der Film soll die Menschen dazu bringen, sich nach Kelsterbach zu bewegen“, so Blaum.
Dass die Zeit des Bauerndorfs Kelsterbach noch gar nicht so lange zurückliegt, zeigte die faszinierende Fotoausstellung von Karl Schmiedt mit dem Titel „Die Landwirtschaft in Kelsterbach von 1920 bis 1960“. Die Fotos bilden den Alltag der Menschen auf dem Feld bei der Arbeit mit Pferden und die Veränderung in der Landwirtschaft durch die Nutzung von Mähdreschern ab. Laut Schmiedt sollen die Fotos, Zeitungsartikel und Dokumente im Rahmen einer Ausstellung 2015 im Stadtmuseum gezeigt werden.
Seit 2009 gibt es den Heimatnachmittag. Bei den Besuchern kam auch die diesjährige Veranstaltung gut an. „Es war sehr schön, man hat viele Bekannte getroffen, die man lange nicht gesehen hat“, erklärte Inge Beck-Ehlert. Die Filme und alten Fotos von Kelsterbach hätten bei ihr viele Erinnerungen geweckt, so die 84-Jährige. „Vieles ist mittlerweile anders geworden und es gefällt mir nicht alles. Aber die Stadt an sich ist schön, und man muss ja mit dem Fortschritt gehen“, so Beck-Ehlert. (nad)

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