Protestsongs und Postkartengedichte

Kurzweiliger Abend mit Bodo Kolbe und Siggi Liersch in der Kommunalen Galerie

ABWECHSELND stellten Bodo Kolbe (links) und Siggi Liersch in der Kommunalen Galerie Gedichte und Lieder vor. (Foto: Schwappacher)

Mörfelden-Walldorf. Blues, Gesellschaftskritik und Gedichte, die auf Postkarten passen – in der Kommunalen Galerie teilten sich Bodo Kolbe und Siggi Liersch am Samstagabend die Bühne. Im Rahmen der Ausstellung „Kunst von uns III“ griffen sie abwechselnd zur Gitarre und rezitierten Gedichte.

Zum Auftakt gab es von Kolbe mit „Mer speele de Blues“ einen Klassiker des Riedblues zu hören. Doch bevor es losgehen konnte, mussten noch zusätzliche Stühle aus der Stadtbücherei hereingetragen werden. Der Andrang war groß, das Publikum zeigte sich vom lockeren Vortragsstil angetan.
In den Liedern und Gedichten von Liersch schwang Dringlichkeit mit, die gesellschaftliche Veränderungen einforderte. So sang er von Freiheit und sprach sich gegen Denkverbote und Maulkörbe aus. In einem anderen Stück erzählte er vom kranken Planeten, mit dem es so nicht mehr lange weitergehen könne.
Liersch trug aber auch Alltagsbeobachtungen vor, wie in der Ballade „Von Frankfurt nach Walldorf“, die eine triste Zugfahrt auf der Riedbahnstrecke schildert. In einem Liebeslied ging es dann einer Fliege an den Kragen, denn sie störte beim Träumen von der Liebsten und musste dran glauben. In einem Gedicht über die Generation der 1968er klang wieder Protest und Aufbruchstimmung an. Siggi Liersch selbst beschäftigten die Studentenproteste damals aber nicht. Mit 14 Jahren interessierte er sich fürs Fußballspielen auf dem Bolzplatz und musste eine Strafpredigt wegen eines verhauenen Englischtests ertragen.
„Ich wollt’, ich wär ein Hering“ kündigte Bodo Kolbe als sein erstes geschriebenes Liebeslied an. Danach sei ihm geraten worden, zukünftig das Genre zu wechseln. Es blieb somit auch sein einziges Liebeslied in der Kommunalen Galerie.
Als sein „Nordweststadt Blues“ noch im Radio zu hören war, bekam er zum ersten Mal Hörerpost, erzählte der Musiker. Ein erboster Herr aus der Nordweststadt beschwerte sich über Kolbes Zerstörungswut, der angesichts der gleichförmigen Hochhausbauten den Blues bekam und sich mit unfeinen Allegorien das Ende der anonymen Vorstadt herbeiwünschte. Ein Höhepunkt war der „Vorm Door Steher Räg“, in dem die Welt in der eigenen Straße noch in Ordnung erscheint. „Denn bis zum End von de Gass, da is alles klor“, sang Kolbe.
Seine Urlaubserlebnisse verarbeitet er seit einigen Jahren gezwungenermaßen auf Postkarten. Eigentlich weigerte sich Kolbe beharrlich, Postkarten zu schreiben. Dank des großen familiären Drucks kam man in der Kommunalen Galerie aber in den Genuss eines Gedichts über die spärliche Badebekleidung der Franzosen und die Urlaubsgewohnheiten feiner alter Damen am Gardasee. Letztere machten offensichtlich großen Eindruck, denn wenn Bodo Kolbe richtig alt ist, möchte er am liebsten eine dieser Damen werden. (seb)

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