Laternen bei Mondlicht ausgemacht

Kurzweiliger und informativer Rundgang zur Stadtgeschichte findet guten Anklang

EINE BESICHTIGUNG des Wasserwerks gehörte zum Stadtrundgang von AWG und Waldenserfreunden. Michael Häßel (Mitte) beantwortete dabei die Fragen der Teilnehmer. (Foto: Sonnabend)

Mörfelden-Walldorf. Zu einem historischen Stadtrundgang durch Walldorf hatten die Arbeitsgemeinschaft Walldorfer Geschichte (AWG) und die Freunde der Waldenser eingeladen. Erwin Pons von der AWG leitete die Tour, die vom Museum bis zum Wasserwerk im Ecktännchen führte.

Bevor es losging, erklärte Erwin Pons den rund 20 Teilnehmern im Museum anhand von Ausstellungsstücken, wie Walldorf entstand. Es gebe Parallelen zur aktuellen Flüchtlingssituation, sagte Pons. „Damals war auch nicht klar, wie es weitergehen sollte.“ 1250 Flüchtlinge waren gemeldet, doch es kamen schließlich 1650. Mörfelden hatte damals nur rund 400 Einwohner, Kelsterbach etwa 100. Viele der Flüchtlinge wanderten weiter, etwa 150 Leute, das waren rund 40 Familien, siedelten sich in Dornholzhausen bei Bad Homburg an. Sie hatten es am besten getroffen, so Pons, denn dort wurden den Fremden sogar Hütten gebaut. In Walldorf blieben 16 Familien und Pfarrer Papon.
Die ersten Walldorfer Häuser wurden 1717 fertiggestellt. Die Familien erhielten seinerzeit jeweils ein Doppelgrundstück. 18 Grundstücke standen zur Verfügung, zwei beanspruchte die Gemeinde für sich. Auf einem wurde die Kirche gebaut, die 1705/1706 fertiggestellt wurde. Allerdings, schmunzelte Pons, schafften es die Menschen damals nicht, die Grundstücke in einem 90-Grad-Winkel anzuordnen. Sie standen stattdessen in einem 76-Grad-Winkel. „So blieb an jedem Haus ein Zwickel übrig“, amüsierte sich Pons. An verschiedenen Grundstücken in der Langstraße und der Ludwigstraße, an denen die Gruppe vorbeiging, war dies noch deutlich zu sehen. Mit der Zeit wurde Walldorf nicht größer, sondern dichter besiedelt. Allerdings verschwinde immer mehr von der alten Substanz, bedauerte Pons.
Wasser gab es am Gundhof, der damals ein voll erschlossenes Gut war. Weil der Weg zu Fuß zu weit war, um mal eben einen Eimer Wasser zu holen, versorgten sich die Menschen aus Wasserlöchern, aus denen auch das Vieh sein Wasser erhielt. Es gab zwar einen Pachtvertrag mit dem Gundhof, erläuterte Pons, doch der wurde nie richtig umgesetzt.
Wasserpumpen gab es erst später. Die Brunnen standen bis 1928, danach wurden Wasserleitungen verlegt. An den Brunnen trafen sich die Älteren, saßen am Rand beisammen und tauschten Neuigkeiten aus. Die von 1900 bis 1910 in der Flughafenstraße und Gartenstraße errichteten Häuser in dem damals typischen Baustil mit den „Franzosendächern“ boten den Luxus, eine Wasserpumpe im Haus zu haben.
„Ach, der Adler“, sagte einer der Teilnehmer, als Pons ein großformatiges Foto der damaligen Gaststätte „Adler“ zeigte. Die Gruppe hatte in der Kelsterbacher Straße/Ecke Ludwigstraße Halt gemacht.
 Auf dem Foto war eine der alten Petroleumstraßenlaternen zu sehen. Zwar waren die Leitungen verlegt und Schalter für elektrisches Licht in den Häusern schon vorgesehen, konnten aber nicht genutzt werden, weil es wegen Streitigkeiten mit einem Walldorfer noch keinen Strom gab. So blieb Walldorf während des Ersten Weltkriegs ohne elektrisches Licht. Die Petroleumlampen mussten täglich, sobald es dunkel wurde, angezündet werden. „Kam dann der Mond heraus, wurden sie wieder ausgemacht. Die Walldorfer waren damals schon sparsam“, lachte Pons.
Der Bau einer Schule mit Lehrerwohnung wurde 1729 in Angriff genommen. Mit Jean Ponsat wurde dazu das Grundstück getauscht. Das Thema Schule sei schon immer ein Problem gewesen, weil es so viele Kinder gab. Als der Steinbau der alten Waldenserschule eingeweiht wurde, hatte Walldorf etwa 800 Einwohner, davon rund 170 Kinder, die unterrichtet werden mussten.
Im Laufe der Zeit wurde das Gebäude um zwei Anbauten erweitert. Einige der Teilnehmer erinnerten sich noch an die Waage, die sich in der Nähe der alten Waldenserschule befand und auf der die Schweine vor dem Schlachten gewogen wurden.
Die letzte Station war das Wasserwerk. Michael Häßel von den Stadtwerken führte die Teilnehmer durch die Gebäude und beantwortete geduldig Fragen. Erstaunt waren die Besucher, dass die Brunnen nur etwa 20 bis 25 Meter tief sind.
Eine der drei Wasserkammern wird zurzeit saniert, und so konnten die Besucher einen Blick hinein werfen. Normalerweise ist der Zutritt aus hygienischen Gründen nicht möglich. Erstaunt waren sie, als sie an der geöffneten Kammer sahen, wie groß so ein Becken ist. Zwei Kammern fassen 800 und die dritte 1400 Kubikmeter Trinkwasser. Das entspreche etwa dem Tagesbedarf von Walldorf, so Häßel.
„Das Wasserwerk war das i-Tüpfelchen“, freute sich eine ältere Dame anschließend über die gelungene Führung. „Vom Wasserloch zum Wasserwerk“, frotzelten die Männer in Anspielung auf die Entwicklung der Wasserversorgung. Der Stadtrundgang fand bei den Teilnehmern guten Anklang. Immer wieder staunten sie, wie viele Details Erwin Pons wusste und waren begeistert, wie geschickt er nüchterne Informationen in kleine Episoden und Anekdoten einfließen ließ. (ine)

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