Auf dem langen Weg nach Südafrika

Tigerin Angela ist im Tierheim angekommen – Aus engem Käfig in Italien befreit

ERSTE ERKUNDUNG des neuen Domizils: Die junge Tigerin Angela ist im Tierheim Rüsselsheim angekommen. (Foto: Sonnabend)

Mörfelden-Walldorf. Begleitet von einem großen Medienaufgebot wurde am Samstagmorgen die junge Tigerin Angela im Rüsselsheimer Tierheim willkommen geheißen.

Gespannt verfolgten die Mitarbeiter des Tierheims, Wildexperten und Tierärzte der Tierschutzorganisation „Vier Pfoten“, sowie viele Journalisten wie Roy Smith, der die Großkatze mit seinem Spezial-Lastwagen von Italien nach Rüsselsheim transportiert hatte, durch eine seitliche Tür den Laderaum des Lkw betrat. Mit einem deutlichen Fauchen machte daraufhin die junge Tigerin auf sich aufmerksam. Als sich wenig später die hintere Ladeklappe öffnete, versuchte jeder einen Blick ins Innere zu erhaschen. Zum Vorschein kam eine mit einer Plane abgedeckte Transportkiste, in der die Raubkatze untergebracht war.
Die rund 300 Kilogramm schwere Aluminiumbox mit der etwa 80 Kilo schweren Bengalischen Tigerin wurde von acht Leuten in das etwa 300 Quadratmeter große Gehege getragen und direkt vor die Klappe zum Innengehege positioniert. Kurze Zeit später ging Angela durch das geöffnete Gitter in ihr neues Domizil.
Vor den Eingang zum Haus wurde Rindfleisch gelegt, um Angela hinauszulocken. Zwar müde, aber doch sehr neugierig tat die Hauptakteurin den wartenden Journalisten den Gefallen und wagte sich schon kurz darauf vorsichtig aus dem Innengehege.
Misstrauisch beschnupperte sie die ungewohnte Umgebung und verschwand immer mal wieder im Haus, kam aber gleich darauf wieder heraus. Sie traute sich schließlich sogar ein Stücken weit in das Außengehege und tapste zu dem Bambuswäldchen. Als sich die Sträucher durch den Wind ein wenig bewegten, flüchtete Angela gleich wieder ins Innengehege und blieb dort schließlich, um sich von der 20 Stunden dauernden Fahrt und den vielen neuen Eindrücken erst einmal zu erholen.
Erleichtert war Claudia Vietmeier-Kemmler, die Vorsitzenden des Tierheimes, nachdem alles gut geklappt hatte. „Sie braucht jetzt Ruhe“, erklärte die Vorsitzende besorgt. Gut aufgelegt zeigte sich auch Irene Redtenbacher von „Vier Pfoten“ und lobte Angela: „Sie war wirklich sehr kooperativ.“
Harald Konrad und sein Sohn Martin werden nun Angela betreuen und haben bereits viele Ideen, wie sie die Großkatze beschäftigen wollen. Die beiden hatten sich vier Jahre lang um die Tiger Natascha und Gandhi gekümmert, die bis 2012 im Rüsselsheimer Tierheim untergebracht waren. Um den Umgang mit Großkatzen zu lernen, besuchten die beiden seinerzeit eine mehrtägige Schulung. Das war eine Auflage des Veterinäramts, erklärte Harald Konrad. Außerdem absolvierten sie in der Raubtierabteilung des Frankfurter Zoos ein Praktikum. Dabei erhielten sie viele wertvolle Tipps.
Konrad nennt den Neuzugang liebevoll „Purzel“, weil sie ja noch gar keine richtige Tigerin, sondern noch so „klein“ sei. Er wird tiefgefrorenes Fleisch in Jutesäcke packen und an die im Außengehege gespannten Drähte hängen oder im Gehege verstecken. So meine die Tigerin, selbst Beute zu machen, verriet er schmunzelnd.
Aber auch alte Bowlingkugeln kommen zum Einsatz – in die Löcher der Kugeln wird Fleisch gefüllt und die Kugeln mit Gewürzen eingerieben. „Natascha und Gandhi haben die immer wie verrückt durch die Gegend gerollt“, erinnerte sich Konrad. Ausprobieren will er auch alle möglichen natürlichen Aromen und Gewürze. Natascha und Gandhi liebten Zimt und Curry.
Außerdem wird Angela ein Schwimmbad bekommen, verriet Vietmeier-Kemmler. Sie ist sich jetzt schon sicher: „Das wird ein verzogenes kleines Mädchen.“
Gefüttert wird Angela mit Rindfleisch, Geflügel und auch mal Lamm, das mit Ballaststoffen und Mineralien angereichert werde, erklärte Harald Konrad. Schweinefleisch sei nicht geeignet, weil es mit allen möglichen Mitteln durchsetzt sei. Die Raubkatzen haben dagegen keine Abwehrkräfte.
Pro Tag wird Angela etwa zwei bis drei Kilogramm Fleisch verputzen. Ausgewachsene Tigerinnen brauchen etwa fünf bis sieben Kilogramm. Im Quartal koste die Fütterung etwa 1000 bis 1200 Euro, so Konrad. Die Kosten werden von „Vier Pfoten“ übernommen, denn das Tierheim verfüge nicht über die nötigen Mittel, erklärte die Vorsitzende.
Bei einer Razzia in der Nähe von Neapel entdeckten Polizeibeamte Angela, die in einem viel zu kleinen Käfig gehalten wurde. Außerdem besaß der Besitzer keine Genehmigung, um das Tier zu halten. So wurde sie übergangsweise in dem Freizeit- und Aquapark „Ditellandia“ in Mondragone untergebracht.
Die Tierschutzorganisation „Vier Pfoten“ wurde eingeschaltet, nahm mit dem Tierheim in Rüsselsheim Kontakt auf und organisierte den Transport von Italien nach Rüsselsheim. In einem halben Jahr soll Angela dann nach Südafrika gebracht werden, wenn es ihr Gesundheitszustand zulässt und die notwendigen Dokumente und behördlichen Genehmigungen vorliegen.
Südlich von Johannesburg hat „Vier Pfoten“ in Lionsrock ein Großkatzenrefugium eingerichtet, wo auch Natascha und Gandhi leben. Sie haben dort etwa
10 000 Quadratmeter zur Verfügung, informierte Vietmeier-Kemmler. Insgesamt hat der Park eine Fläche von 1250 Hektar, davon werden 56 Hektar für die Gehege von Großkatzen genutzt. Auf der restlichen Fläche leben Zebras, Antilopen und Gnus in Freiheit. Darüber hinaus findet man dort auch eine Vielfalt von Vogelarten. (ine)

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