Ein Fall für die Staatsanwaltschaft?

Tumult im Stadtparlament: CDU macht Mail-Verkehr des Ersten Stadtrats zum Schutzschirm öffentlich

Mörfelden-Walldorf. Zehn Tagesordnungspunkte verabschiedeten die Stadtverordneten am Dienstag ohne Aussprache und einstimmig. Als dann aber über den Haushalt und den kommunalen Rettungsschirm diskutiert wurde, ging es hoch her. Von Straftaten und der Staatsanwaltschaft war die Rede. Doch was war passiert?

Während andere Kommunen schon unter den Rettungsschirm der Landesregierung gegangen sind, tut sich die rot-grüne Koalition in Mörfelden-Walldorf schwer mit der folgenreichen Entscheidung.
Am Rande der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses wollte die CDU am letzten Donnerstag wissen, wann die Frist für das Hilfsprogramm abläuft. So berichtete es Siegfried Burghardt (CDU) am Rednerpult der Stadtverordnetenversammlung. Der Kämmerer und Erste Stadtrat Franz-Rudolf Urhahn (Grüne) habe ihm erklärt, es gebe keine Frist für den Rettungsschirm. „Urhahn hat die Unwahrheit gesagt“, hieß es nun am Dienstag von Burghardt.
Um dies zu belegen, zitierte er detailliert aus dem E-Mail-Verkehr zwischen dem Ersten Stadtrat und Ulrich Keilmann, der im hessischen Finanzministerium an der Umsetzung des Rettungsschirms mitarbeitet. Darin nennt Keilmann den 15. Februar als letztmöglichen Termin, an dem die Stadt unter den Rettungsschirm gehen kann. Die Mail stamme vom Donnerstagmorgen und ging bei Urhahn demnach vor der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses ein. So schilderte es zumindest Burghardt und warf damit zwei Fragen auf. Wie kam er an die E-Mails, und hatte Urhahn das Fristende für den Rettungsschirm verheimlicht?
Die Mail-Korrespondenz habe ihm sein Fraktionskollege Günter Schork überlassen, erklärte Burghardt, während die Stimmung im Parlament hochkochte. Schork, der mit Keilmann zusammen für die CDU im Kreistag sitzt und Mitglied des hessischen Landtags ist, verstand die Aufregung nicht. Er habe als Landtagsabgeordneter offiziell eine Anfrage gestellt und daraufhin eine Antwort erhalten. Das sei kein ungewöhnlicher Vorgang.
„Ich bin entsetzt über die CDU“, erklärte Behnam Yazdani. Dass jeder Landtagsabgeordnete nicht öffentliche Mails überlassen bekomme, wollte der SPD-Fraktionsvorsitzende nicht glauben. Er sprach von CDU-Seilschaften, nachdem Urhahn zuvor berichtete, Keilmann und Schork seien im Kreistag Banknachbarn.
Mit dem Weiterleiten und Öffentlichmachen der E-Mails liege ein Straftatbestand vor, der ein Fall für die Staatsanwaltschaft sei, betonte Yazdani. Es wurde lauter, Schork wollte diesen Vorwurf nicht auf sich sitzen lassen. Stadtverordnetenvorsteher Werner Schmidt (SPD) drohte ihm mit einer Rüge, sollte er die Redner weiter unterbrechen.
„Offenbar fallen E-Mails nicht mehr unter das Briefgeheimnis“, kommentierte Grünen-Fraktionschef Richard Lehner die Vorgänge. „Bisher habe ich es immer nur vermutet, hatte aber keine Beweise dafür“, sagte Urhahn. Schon länger sei er davon ausgegangen, dass die örtliche CDU aus Wiesbaden über den Stand der Rettungsschirm-Verhandlungen informiert werde, und umgekehrt Informationen an die Landesregierung weiterreiche. „Jetzt hat sich die CDU selbst überführt“.
Die CDU torpediere damit die Verhandlungen über den Schutzschirm und schwäche die Position der Stadt. Daher habe man darüber bislang auch keine Gespräche mit den Christdemokraten geführt. Denn die Konditionen des Schirms seien Verhandlungssache und nicht bei jeder Kommune gleich, betonte Urhahn.
„Wir haben keine vertraulichen Informationen weitergegeben“, widersprach CDU-Fraktionsvorsitzender Karsten Groß. Schork habe sich erst nach der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses an die Landesregierung gewandt, da die Stadt nicht bereit gewesen sei, die CDU zu informieren.
Für das von Keilmann in der E-Mail angegebene Fristende gebe es keine gesetzliche Grundlage, sagte Urhahn. Daher habe er auch nicht die Unwahrheit gesagt. Er habe Kontakt zum hessischen Städtetag aufgenommen, und um eine Bewertung gebeten, ob der genannte Termin verbindlich ist. Bis zu dieser Stellungnahme habe er abwarten wollen, sagte Urhahn.
Zum Schluss meldete sich auch Bürgermeister Heinz-Peter Becker (SPD) zu Wort. Eigentlich habe er der CDU ein Gesprächsangebot zum Thema Rettungsschirm machen wollen. Nach Weihnachten hätte man sich zusammensetzen können. „Vor diesem neuen Hintergrund bin ich dazu nicht mehr bereit“, erklärte Becker. (seb)

Noch keine Bewertungen vorhanden

HerunterladenQR Code URL: https://www.freitags-anzeiger.de/4144


X