Chansons, Tanz und Modenschau

NRD-Wohnverbund stellte sein Sommerfest unter das Motto „Fête de la Musique“

EIN MUNTERER TANZ mit rot-weißen Regenschirmen begeisterte die Besucher beim Sommerfest des Wohnverbunds der Nieder-Ramstädter Diakonie. (Foto: A. Keim)

Mörfelden-Walldorf. Öffnung nach außen und eine Lebensgestaltung, die so normal wie möglich ist, sind Prämissen des Wohnverbunds der Nieder- Ramstädter Diakonie (NRD). In diesem Rahmen stand auch das Sommerfest „Fête de la Musique“ mit französischem Flair.
Poetisch erklingen die Chansons, die Yannick Monot zur Gitarre singt: „Ich will dieses Gedicht all den Frauen widmen, die man heimlich liebt“, intoniert er just das Lied „Les passants“ von George Brassens.

Der Musiker hatte am Freitagmittag leger auf einem Mauerstein Platz genommen, spielte im Sommersonnenschein unterm Schatten spendenden Strohhut französische Lieder von Charles Trenet, Jacques Brel und vielen anderen. Da lauschte man dem Wohlklang der französischsprachigen Chansons und schien die Lieder jenseits der Worte zu verstehen. Da wiegten sich Besucher des Sommerfestes verträumt in den Hüften, tänzelnd zur Musik.
„Wie schön. Nicht wahr, das ist schön?“, ruft Svenja Jobson begeistert aus. Die junge Frau gehört zu den 46 Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung, die in den Häusern am Ludwig-Richter-Weg zuhause sind. Seit 2007 wird der Wohnverbund, der 2006 das erste Projekt im Rahmen der Dezentralisierung der NRD war, von Fabien Muller geleitet. Seine französische Herkunft, gepaart mit dem Engagement der Bewohner und Betreuer, tragen am Freitag dazu bei, dass sich das Außengelände ums Gebäude in ein „Quartier francais“ verwandelt.
„Fête de la Musique“ hieß das Motto bei südlichen Temperaturen, angelehnt an das französische Fest gleichen Namens. Der Auftritt des Chansonniers Monot sei Mike Maysack zu danken, so Muller. Der Leiter der Mörfelder Werkstatt für Behinderte habe den Kontakt hergestellt. Die Kooperation mit der WfB ist eng, viele Bewohner arbeiten dort. Auch Svenja Jobson, die beiläufig erzählt, sie fertige dort Gurte für Flugzeuge an, gehört dazu.
Doch heute, wo die Wimpel in den Farben der französischen Trikolore im lauen Wind flattern, wo Crêpes gebacken und Quiche aufgetischt werden, „Orangeade“ oder „Perrier“ französischen Trinkgenuss bescheren, mag keiner von Arbeit sprechen. Herzlich umarmen die Bewohner des Hauses jeden Ankömmling, die Pädagogen und Betreuer bieten in kunsttherapeutischer Arbeit entstandene Bastel- und Malarbeiten an, und Heidi Zwilling vom Behindertensport ruft ihre Gruppe zur Tanzdarbietung zusammen.
 Auch Svenja tanzt mit, winkt ihren Eltern aufgeregt zu: Es ist ein zauberhafter Anblick, wie sich Behinderte und Nichtbehinderte im Sonnenschein drehen, zeitgleich ihre rot-weißen Schirme aufspannen, diese wie Propeller kreiseln lassen. Heidi Zwilling und ihre Helfer achten darauf, dass alle Tänzer sich mitgenommen fühlen. Gehen Schritte daneben, stört das nicht. Groß ist der Jubel nach dem Tanz, die Mitwirkenden lachen glücklich. Svenja hat noch nicht genug vom Präsentieren: „Nachher machen wir Modenschau. Ganz französisch“, verrät sie aufgeregt.
Die „Fête de la Musique“ geht unter die Haut. Das liegt daran, dass im Umgang mit behinderten Menschen eine Natürlichkeit herrscht, die die Würde der Hilfsbedürftigen achtet und frei von jeglichem Hochmut ist. „Es ist ein weiter Weg zur Inklusion“, merkt die Behindertenbeauftragte der Stadt, Christa Kaiser, nachdenklich an. Bei Inklusiv-Touren auf dem Rad und vielen anderen Projekten kooperiert sie eng mit dem Wohnverbund. „Die Berührungsängste Außenstehender sind schwer zu überwinden. Dabei gibt es nichts, was man im Umgang mit Behinderten falsch machen könnte. Einfach man selbst zu sein, das genügt“, sagt sie.
In Vertretung des Bürgermeisters ist Sozialamtsleiter Heimo Boschert beim Fest, würdigt die immense Planung, die dahintersteckt. Der Feuerwehrverein und die Tanzschule Stoll flankieren mit Angeboten, sind seit langem Partner der NRD. Mancher Besucher setzt übermütig einen Feuerwehrhelm auf den Kopf: Spaß haben alle, auch die still beobachtende Mama von Bewohnerin Andrea (41). „Seit neun Jahren lebt Andrea hier, ist glücklich in ihrer Welt. Heute bin ich es auch.“ (cha)

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