Bäckereien helfen bei der Suche

Gastfamilien sollen Menschen mit seelischen Problemen Halt geben

MIT BRÖTCHENTÜTEN werben Chrisostomos Theodoridis vom Dalles-Café, Heidi Stolz, Anke Creachcadec und Alexandra Hättig vom Sozialpsychiatrischen Verein sowie Cafébetreiberin Katharina Theodoridou um Gastfamilien für psychisch Erkrankte. (Foto: Schwappacher)

Mörfelden-Walldorf. Im ganzen Kreisgebiet machen 12 000 Brötchentüten auf ein Projekt des Sozialpsychiatrischen Vereins Groß-Gerau aufmerksam. Insgesamt beteiligen sich elf Bäckereien, seit Montag gehen auch im Dalles-Café Tüten mit dem Aufruf „Gastfamilien gesucht“ über die Theke. Mit diesem ungewöhnlichen Weg möchte der Verein Menschen finden, die bereit sind, psychisch Erkrankte bei sich aufzunehmen.

Seit zehn Jahren läuft das Programm des Sozialpsychiatrischen Vereins (SPV), berichteten die Projektkoordinatorinnen Heidi Stolz und Alexandra Hättig. Aktuell leben 16 Klienten bei 14 Gastfamilien im gesamten Kreis Groß-Gerau und bekommen so die Möglichkeit, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. 
Für die Menschen mit den unterschiedlichsten seelischen Problemen sei es wichtig, Anschluss sowie eine feste Tagesstruktur zu haben und nicht zu vereinsamen, führte Stolz aus. Dabei gehen viele der Klienten arbeiten, brauchen aber dennoch eine Betreuung. Die übernimmt der Fachdienst des SPV bei regelmäßigen Besuchen. 
„Wir schauen immer sehr genau, ob es auch passt. Das ist am wichtigsten“, erklärte Hättig. So gibt es mehrere Vorgespräche mit Klienten und Wohnungsanbietern. Wenn alle ein gutes Gefühl haben, treffen sich die zukünftigen Mitbewohner auf eine Tasse Kaffee. Auch ein Probewohnen über einige Tage ist möglich. 
Zwar heißt das Projekt „Begleitetet wohnen in Familien“, mitmachen können aber auch Einzelpersonen und Paare. Hauptsache man kann ein eigenes Zimmer bereitstellen und ist offen für einen neuen Mitbewohner. Als Pauschale für Miete, Betreuungsaufwand und Verpflegung werden 1073 Euro bezahlt.
„Eine Frau lebt mittlerweile seit neun Jahren bei ihrer neuen Familie“, erzählte Heidi Stolz. Oftmals entstünden enge Freundschaften, mit gemeinsamen Urlauben oder Weihnachtsfeiern. Grundsätzlich kann das begleitete Wohnen aber jederzeit von beiden Seiten beendet werden. Und so ziehen manche Mitbewohner auch schon nach einem Jahr wieder aus. Denn gerade bei den jüngeren Klienten ist es das Ziel, sie wieder komplett in die Selbstständigkeit zu überführen. 
„Eine Erkrankung ist häufig die Folge einer Überforderung“, sagte Alexandra Hättig. Familien könnten dabei helfen, vieles auffangen und Sicherheit geben. Das bedeutet aber nicht, dass die neuen Mitbewohner sich um die Haushaltsführung drücken. Den Müll vor die Tür bringen und für Ordnung sorgen gehört zum Alltag jeder Familie. 
„Es ist ein sehr individuelles Wohnen, das genau auf den Klienten abgestimmt wird“, ergänzte Heidi Stolz. Der SPV steht dabei besonders in der Anfangszeit mit Rat und Tat zur Seite, wenn es viele Fragen und offene Punkte gibt.
Katharina Theodoridou von der Dalles-Bäckerei musste nicht lange überzeugt werden und war sofort bereit, dem Projekt mit der ungewöhnlichen Werbeidee zu helfen. Den SPV kennt sie schon lange. Wenn dienstags nur wenige Meter weiter die Speisekammer des Vereins öffnet, unterstützt Theodoridou die Lebensmittelausgabe mit Brotspenden. 
Nun hofft sie, dass sich einige Familien finden, und Menschen bei sich aufnehmen. „Die Tüten sind eine tolle Möglichkeit um Aufmerksamkeit darauf zu lenken.“ In den nächsten Wochen wird sie tausend Stück davon an ihre Kunden verteilen. 
Wer Interesse an dem Projekt hat, kann sich an das SPV-Zentrum in Biebesheim wenden. Zu erreichen ist es unter der Telefonnummer 06258- 94180 sowie über die E-Mail-Adresse bwf[at]spv-gg[dot]de. (seb)

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