Acht Meter ragt sie in den Himmel

Die Heckflosse einer Boeing 737 ist der neue Blickfang von Quick Cargo Service

HINGUCKER in der Kurhessenstraße: Die Schwanzflosse einer Boeing 737. (Foto: Keim)

Mörfelden-Walldorf. Das rund acht Meter hohe Seitenleitwerk einer Boeing 737 steht seit ein paar Monaten vor der Hauptzentrale der Luft- und Seefracht-Spedition Quick Cargo – ein nicht zu übersehender Blickfang in der Kurhessenstraße. Das Flugzeugteil sollte eigentlich in Berlin aufgestellt werden und landete auf abenteuerliche Weise dann doch im Industriegebiet. 

Als Anfang 2015 der Anruf einging, war Robert Weckwerth wie elektrisiert. Quick Cargo Service sollte das ausgediente Seitenleitwerk einer Boeing 737–700 entsorgen. So lautete der Auftrag der in Berlin beheimateten Fluggesellschaft Germania. Die wollte die Schwanzflosse eigentlich vor ihrem Hangar am neuen Berliner Flughafen aufstellen, hatte sie im irischen Dublin extra weiß lackieren und von QCS auf einem Spezialtransporter nach Berlin bringen lassen. Doch wurde die Genehmigung nicht erteilt, den Blickfang aufzustellen. Die Behörden hatten wegen der häufig am Airport auftretenden Windturbulenzen Sicherheitsbedenken und sagten schließlich Nein.
 QCS in Berlin sollte das acht Meter hohe und 1500 Kilogramm schwere Teil zum Müll bringen. Viel zu schade, dachte sich Weckwerth, der gut zehn Jahre seines Berufslebens bei QCS in der Kurhessenstraße verbracht hatte und das Lufthansa-Leitwerk am Eingang zu Tor 21 am Frankfurter Flughafen noch in bester Erinnerung hatte. „Ein Super-Eye-Catcher“, sagte sich der erfahrene Logistiker und meinte selbstbewusst: „Was die Lufthansa kann, kann Quick Cargo auch.“
Weckwerth rief Stephan Haltmayer an und brauchte keine Tür einzurennen. „Das machen wir“ war der knappe Kommentar des Junior-Chefs. Auch Stephan Haltmayer wusste sofort: „Dass ist die beste Werbung für uns.“ Immerhin macht das mittelständische Logistikunternehmen mit rund 200 Mitarbeitern europaweit etwa zehn Prozent seines Umsatzes mit Flugzeugersatzteilen, die, wo immer sie gebraucht werden, rund um die Welt geflogen werden.
Es war eine kluge Entscheidung, das Leitwerk nicht zu verschrotten. Zumal, wie sich dann bei Internet-Recherchen von Stephan Haltmayer herausstelle, die zum Leitwerk gehörende Boeing 737 ein Weltmeister-Jet war. Die Maschine mit dem Kennzeichen D-AGEM war am 11. März 1998 um 16.26 Uhr vom Boeing Werksgelände in Seattle gestartet und nach 8117 Kilometern um 10.53 Uhr des nächsten Tages in Berlin-Tegel gelandet. So weit war noch nie eine Maschine aus der Gewichtsklasse 60 bis 80 Tonnen Startgewicht geflogen. Und das alles in 9 Stunden und 27 Minuten. 
D-AGEM war weltweit die erste ausgelieferte Boeing 737–700. Germania hatte 1995 zwölf Maschinen dieses Typs der 737-Next-Generation-Family geordert. Während D-AGEM noch heute fliegt, war das Leitwerk vermutlich bei einem großen Check ausgetauscht worden – und dann überflüssig. 
Stephan Haltmayer hatte noch beim Telefonat mit Robert Weckwerth spontan Ja gesagt. Doch dann begannen die Probleme. Von wegen einfach aufstellen. So ein riesiges Teil, immerhin acht Meter hoch, könnte ja auch in Mörfelden-Walldorf vom Sturm umgerissen werden und Menschen gefährden. 
Deshalb musste erst einmal die Genehmigung zur „Aufstellung einer Werbeanlage“ eingeholt werden. Wenigstens meldete die Abteilung „Bauordnung und Wohnungswesen“ des Kreises Groß-Gerau keine grundsätzlichen Bedenken an, machte aber zur Auflage, dass die „anerkannten Regeln der Technik und hier insbesondere der Standsicherheit zu beachten sind.“ Und: QCS musste zunächst eine Fotomontage erstellen, wie sich das Teil in die Umgebung einfügt und zudem die statische Berechnung für ein Fundament vorlegen. 
Ohne Fundament ging nichts. Denn auf dem Betonfuß sollte zunächst ein Gerüst und auf dem wiederum die Schwanzflosse installiert werden. Das alles kostete viel Zeit und noch mehr Geld. Am schnellsten ging der Transport. Der Lkw schaffte die Tour Berlin – Mörfelden-Walldorf an einem einzigen Tag. 
Schließlich war es dann soweit: Jürgen Berger von der Metallbau-Firma Wulf & Berger in Büttelborn nahm die 1500 Kilogramm an den Ausleger des Krans und musste zunächst mehr mit dem böigen Wind als mit dem Gewicht der Schwanzflosse kämpfen. Denn die Platzierung des Stahl-Kolosses war Millimeterarbeit und der Wind deren größter Feind. Die Befestigungslöcher des Leitwerks mussten haargenau auf die entsprechenden Löcher in dem stählernen Grundgestell passen. Das Gestell selbst war nach den Berechnungen des Statikers auf einer vier Mal zwei Meter breiten und ein Meter dicken Betonplatte montiert. Mit Spezialschrauben, die zwei Zentimeter dick und stolze 34 Zentimeter lang waren. 
Als Tüpfelchen auf dem i folgte noch der Schriftzug „Quick Cargo Service“ auf dem Leitwerk. Senior-Chef Dieter Haltmayer, der ursprünglich der Idee seines Sohnes skeptisch gegenüber stand, ist inzwischen überzeugt: „Einen besseren Eye-Catcher für uns gibt es nicht“. Deshalb hat er die englische Ausgabe seines Buches „My Live in Freight“ noch um ein Kapitel ergänzt: „The Tail Fin of a Boeing 737 is the New Attraction at QCS Headquarters.“ Wolfgang Schubert 

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