Um 7,4 Millionen Euro betrogen

Kelsterbacher soll als Teil eines Netzwerks Umsatzsteuer hinterzogen haben

Kelsterbach. Weil er innerhalb von zehn Monaten rund 7,4 Millionen Euro Umsatzsteuer hinterzogen haben soll, muss sich seit Donnerstag letzter Woche ein Kelsterbacher Reinigungsunternehmer vor dem Darmstädter Landgericht verantworten. Die enorme Summe erreichte er laut Steuerfahndern und Staatsanwaltschaft, weil er Teil eines „Umsatzsteuerkarussells“ gewesen sein soll, das mit teuren Elektronikprodukten handelte.

Der 49 Jahre alte Angeklagte soll zwischen November 2012 und August 2013 mehrmals als Teil eines Netzwerks größere Mengen iPads und iPhones angekauft und gleich wieder weiterverkauft haben. Die Geschäfte waren laut Staatsanwaltschaft „ein allein auf Täuschung ausgerichtetes Umsatzsteuerkarussell.“
Monatlich soll der Angeklagte Produkte der Firma Apple im Wert zwischen 3 und 24 Millionen Euro angekauft und wieder verkauft haben. „Tatsächlich aber gelangten die Waren direkt von Frankreich nach Italien“, so die Anklage. Der Angeklagte soll – weil die Waren nie in seinem Machtbereich waren – somit unberechtigt Umsatzsteuervoranmeldungen gemacht und so insgesamt 7,4 Millionen Euro hinterzogen haben.
Der Angeklagte gestand die Taten. „Die Vorwürfe sind zutreffend“, ließ er über seinen Verteidiger erklären. „Details und den Gesamtzusammenhang habe ich erst mit der Anklageschrift erkannt“, las der Rechtsanwalt aus der Einlassung des Unternehmers vor. „Ich hätte die Vorsteuer nicht geltend machen dürfen.“
Er sei an dem Umsatzsteuerkarussell als „Buffer“ – einem zwischengeschaltetem Scheinunternehmer – beteiligt gewesen und habe die Rechnungen geschrieben, so der Angeklagte. Die Masche funktioniert, weil einer der Beteiligten in der Ankäufer- und Verkäuferkette die Umsatzsteuer einfach nicht an den Staat abführt.
Zu so einem Netzwerk gehören in der Regel vier Akteure. Ein Initiator im EU-Ausland verkauft seine Ware legal ohne Umsatzsteuer an einen Unternehmer im Inland. Der ist aber nur Scheinunternehmer. Er muss Umsatzsteuer zahlen, kann diese aber als Vorsteuer geltend machen. Er verkauft die Ware – nun wieder mit Umsatzsteuer – an den „Buffer“, der sie gleich an einen Exporteur weiterverkauft, der die Ware ins EU-Ausland (und wie der Initiator ohne Umsatzsteuer) verkauft. Die Waren kann man so mehrfach zirkulieren lassen, was sie für den Endkunden immer preiswerter macht, weil die Beteiligten ihre Marge über die einmal unterschlagene Umsatzsteuer erhalten.
Gewinner des Karussells ist der Scheinunternehmer, der auch „Missing Trader“ (verschwundener Händler) genannt wird. Dieser verschwindet in der Regel nach drei bis vier Monaten mit den Beträgen, die er als Umsatzsteuer hätte abführen müssen.
Der Angeklagte erklärte, dass er die Kontakte zu dem kriminellen Netzwerk abgebrochen habe und als Zeuge zur Verfügung stehe. Unter anderem werde er bei der Steuerfahndung in Offenbach aussagen. Die mögliche Strafe bei Steuerbetrug in Millionenhöhe ist nicht mehr zur Bewährung aussetzbar, aktuell befindet sich der Angeklagte in Untersuchungshaft.
Er habe bei dem Umsatzsteuerkarussell mitgemacht, weil er die Provisionen für die medizinische Behandlung seiner Mutter gebraucht habe.
Die Steuerfahndung war dem Kelsterbacher Unternehmer durch seine Bank auf die Spur gekommen. Wegen hoher Transaktionssummen hatte die Bank einen Geldwäscheverdacht gemeldet. Die Millionenumsätze seien „typisch für diese Betrugsketten“, sagte ein Steuerfahnder im Gericht. Die Firmen, die sich später als „Missing Trader“ entpuppten, tauchten in der Regel plötzlich auf. „Auch die Personen sind noch nie im jeweiligen Handelssegment aufgetreten.“ Nur passten die Umsätze nicht zu frisch gegründeten Unternehmen.
Das Urteil soll am Donnerstag verkündet werden. (mwi)

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