Testflüge für Flüsterlandung

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt erprobt Projekt zum aktiven Schallschutz

DAS KLEINE TABLET zeigt dem DLR-Testpiloten Stefan Seydel an, wann er die Landeklappen setzen und das Fahrwerk ausfahren muss. (Foto: Postl)

Rhein-Main. Als hätten die Piloten beim Landeanflug nicht schon alle Hände voll zu tun – jetzt sollen sie auch noch auf LNAS achten. Das Low Noise Augmentation System“ – eine spezielle Software für Piloten unterstützt einen „idealen“ Anflug auf die Landebahn. „Ja, wir haben in der Landephase wirklich viel um die Ohren im Cockpit, doch wenn es um Lärmminderung in Verbindung mit Kerosineinsparung geht, dann tun wir wirklich alles, um dies zu erreichen“, betont Condor-Chefpilot Dietmar Wolff. 

Am Montag wurde im Rahmen einer Pressekonferenz in der Feuerwache 4 an der Landebahn Nordwest das LNAS vorgestellt. Mit dabei waren Tarek Al-Wazir, Hessens Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung, Stefan Levedag, Leiter des DLR-Institutes für Flugsystemtechnik, außerdem Günter Lanz vom Umwelt- und Nachbarschaftshaus in Kelsterbach sowie die Condor-Piloten Dietmar Wolff und Frank Maleiner. Entwickelt wurde LNAS im Rahmen einer Doktorarbeit am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Jetzt wird es in der Praxis erprobt. Reale Bedingungen bietet da der stark frequentierte Frankfurter Flughafen.
Manche Anwohner mögen es registriert haben: Seit Montag steuert ein Flugzeug des Typs A320 ATRA mit dem DLR-Emblem am Höhenleitwerk eine der drei Landebahnen des Frankfurter Flughafens an, sinkt recht leise bis auf 1000 Fuß (330 Meter), um dann wieder durchzustarten. „Das machen wir rund fünf Stunden am Stück, dann wird gelandet und es kommen andere Piloten von Lufthansa und Condor an Bord“, erklärt Hans-Jürgen Berns, Chef-Testpilot bei DLR. Die Piloten beider Airlines sollen mit Hilfe des LNAS den „Flüsteranflug“ erlernen. 
„Es ist so, als wollten sie mit einem Auto aus dem Parkhaus fahren, müssten aber zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt, unter Einhaltung bestimmter Geschwindigkeiten, an der Auslassschranke sein – freilich ohne zwischendurch stark zu bremsen oder Gas zu geben“, versuchte Levedag einen Vergleich. LNAS greift die „Umgebungsdaten“ des vorausfliegenden Flugzeuges auf und berechnet daraus den idealen Sinkanflug. „Der Pilot bekommt auf einem kleinen Bildschirm das Landeprofil angezeigt und erhält genaue Hinweise, wann er die Triebwerke drosseln, Landeklappen setzen und das Fahrwerk ausfahren soll“, erklärt Levedag die beeinflussbaren Geräuscheverursacher. „Im Idealfall schwebt das Flugzeug dann wie im Leerlauf der Landebahn entgegen.“
Minister Tarek Al-Wazir kann ein Lied davon singen, wie unterschiedlich laut die Anflüge von Flugzeugen ausfallen. „Am Wochenende saß ich in Offenbach beim Grillen im Garten und habe bewusst die Landeanflüge verfolgt. Da gibt es bei den gleichen Flugzeugtypen recht unterschiedliche Lärmquoten“, so Al-Wazir. Mit LNAS erhalten die Piloten nun ein Hilfsmittel an die Hand, das ihnen einen möglichst lautlosen und zudem noch Kerosin sparenden Anflug ermöglicht. Dabei berücksichtigt LNAS blitzschnell auch neue Anweisungen seitens der Flugsicherung.
Deshalb nahmen während der drei Tage andauernden Testflüge die Piloten verschiedener Airlines nacheinander im Cockpit des ATRA neben einem DLR-Testpiloten Platz, um Anflüge auf Frankfurt fliegen – mal mit, mal ohne Assistenzsystem. Die Testflüge wurden mit der Deutschen Flugsicherung (DFS) und dem Flughafen Frankfurt koordiniert. Vor den eigentlichen Flugtests wurden bereits umfassende Versuche im DLR-Forschungssimulator AVES durchgeführt.
„Es ist ein wichtiger Entwicklungsschritt, nun die Eindrücke und Erfahrungen routinierter Airline-Piloten mit dem neuen System im Flughafenbetrieb Frankfurts mit seinem hohen Verkehrsaufkommen zu sammeln“, so Levedag. Einen weiteren Vorteil bieten die zahlreichen Lärmmessstellen, die im Umfeld des Flughafens eingerichtet sind. Durch sie kann der Lärmminderungseffekt des Anflugverfahrens an den einzelnen Stationen nachgewiesen werden.
Das Flugzeug A 320 D-232 ATRA (Advanced Technology Research Aircraft) ist voll bepackt mit Computertechnik. Unzählige Datenkabel kommen von verschieden Messstellen am Flugzeug und werden in einen zentralen Rechner an Bord zusammen geführt. Bei jedem Flug sitzen drei Spezialisten an verschiedenen Arbeitsplätzen und verfolgen jede Veränderung der Bildschirmanzeigen.
Die Ergebnisse des Projekts werden im November 2016 auf der Internationalen Konferenz zum aktiven Schallschutz, präsentiert und anschließend veröffentlicht. Das Umwelt- und Nachbarschaftshaus fördert das Projekt LNAS mit einem Zuschuss von 560 000 Euro. (pos)

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