Die Natur erholt sich nur langsam

Fraport verzichtet auf Alleingänge - Laubbäume ersetzen Tannen und Fichten

AUSGEWÄHLTE PUNKTE im Kelsterbacher Wald besuchten die Mitglieder des Bauausschusses und einige interessierte Bürger während der Begehung. (Foto: Scherer)

Kelsterbach. Die Empörung bei Stadt und Bevölkerung war groß, als vor einigen Wochen im Kelsterbacher Wald zahlreiche Bäume entlang der Nordwest-Landebahn gefällt wurden. Den Auftrag hatte die Fraport AG gegeben, allerdings ohne vorher die Stadtverwaltung zu informieren. Das soll nicht mehr geschehen.

Wie Bürgermeister Manfred Ockel (SPD) während einer Waldbegehung des Bauausschusses erklärte, habe man sich mit der Fraport AG auf einen Pflege- und Unterhaltungsvertrag geeinigt. Dieser sieht vor, dass ohne vorherige Absprache keine waldbaulichen Maßnahmen mehr im Kelsterbacher Wald erfolgen. Nach Unterzeichnung des Vertrags sollen Arbeiten im Wald nur noch vom Kelsterbacher Kommunalbetrieb (KKB) durchgeführt werden. Die Kosten für solche notwendigen Maßnahmen trägt die Fraport.
Wie intensiv der Pflegeaufwand des nach dem Landebahnbau verbliebenen Waldes ist, wurde während der Begehung deutlich, an der Mitglieder des Bauausschusses und interessierte Bürger teilnahmen. Denn rund 33 Hektar des Waldes sind durch die Planfeststellung mit detaillierten Auflagen belegt, etwa 239 Hektar sind Flora-Fauna-Habitat (FFH-Gebiet), mit Auflagen zum Artenschutz heimischer Hölzer versehen.
„Es ist ein riesiger Drahtseilakt, diesen Restwald zu erhalten“, betonte Ockel. Nicht nur die hier natürlichen Voraussetzungen, wie trockener und sandiger Boden, erschwerten die Aufgabe. Auch müssten die von der oberen Naturschutzbehörde geforderten Auflagen aus dem Planfeststellungsbe‧schluss umgesetzt werden. Diese, dem Artenschutz gewidmet, seien teils kontraproduktiv, da Lärm- und Artenschutz oft nicht einher gehen könnten.
Genau das kritisierte auch Reinhold Hörner, der als Anwohner im Hasenpfad über die massive Zunahme von Lärm und Geruchsbelästigung durch die neue Landebahn berichtete. Auch das Fällen der Bäume entlang des Grenzwegs ärgert ihn. Aber auch, dass Nadelbäume gefällt werden, um Laubbäumen den Vorzug zu geben. „Jeder Baum der hier gefällt wird, bedeutet mehr Lärm und Schadstoffe im Hasenpfad“, so Hörner. Im Winter, wenn die Bäume keine Blätter mehr hätten, würden die höchsten Lärmwerte gemessen. Der Stadt warf Hörner vor, dass sie beim Waldverkauf schlecht mit dem Flughafenbetreiber verhandelt habe.
KKB-Fachbereichsleiter Erik Schulz-Gabel betonte, Tannen und Fichten hätten langfristig keine Daseinsberechtigung im hiesigen Wald, nach den FFH-Richtlinien. Das sei nicht das Verschulden der Stadt, verhandeln sei bei diesem Punkt nicht möglich, so Schulz-Gabel.
Seit der letzten Waldbegehung 2012 wurden vom KKB und dem von der Stadt beauftragten Forstassessor Martin Klepper zahlreiche Pflege- und Unterhaltungsmaßnahmen durchgeführt, darunter Naturverjüngungen, Neupflanzungen aber auch die gezielte Entnahme von Bäumen, die nicht den Artenschutzvorgaben entsprechen. „Die Arbeit trägt Früchte, aber wir bewegen uns hier in einem Zeitrahmen von vielen Jahren“, betonte Ockel.
Ziel sei es, den durch den Bau der Landebahn in seiner ökologischen Funktionen stark beeinträchtigten Wald zu stabilisieren und heimische Baumarten, wie Eiche, Buche oder Hainbuche zu stärken. Um die Neupflanzungen vor Wild zu schützen, wurden in vielen Bereichen des Waldes Hordengatter aufgebaut, die mindestens zehn Jahre stehen bleiben.
„Der Wald soll ja mit Tieren existieren“, betonte Schulz-Gabel, der auf die Belastungen der Wildtiere schon während des Baus der Landebahn verwies. Nun seien Fläche und Zuschnitt des Waldes massiv verkleinert – und damit auch der Lebensraum von Wildschweinen, von Dam- und Rehwild. Die Bestände müssten deshalb durch Bejagung klein gehalten werden.
Im gesamten Wald wurde in den letzten zwei Jahren die sogenannte Naturverjüngung durch den Einsatz von Wuchshüllen für junge Bäume gefördert. Laut Martin Klepper werden solche Bäume später kräftiger als Setzlinge.
Während ökologisch wertvolle Baumarten wie die Eberesche und die Eiche stabilisiert und geschützt werden, ist die Spätblühende Traubenkirsche kein gern gesehenes Gewächs. Von dem nordamerikanischen Baum hätte man sich früher holztechnisch viel versprochen, so Klepper. In Europa würde der Baum jedoch nur in Strauch- und Buschform wachsen und heimische Baumarten verdrängen. Daher wird die Spätblühende Traubenkirsche bekämpft. Doch dort, wo diese Traubenkirschenart den nachwachsenden Wald stabilisieren soll, wird ein breiter, ringförmiger Streifen von ihrer Baumrinde entfernt (Ringelung), wodurch die Pflanze zwar langsam abstirbt, aber in den Jahren, in denen sie noch steht, den jungen Bäumen Schutz bietet.
Abgeschlossen wurden in diesem Jahr die Verkehrssicherungsmaßnahmen entlang der Bahnlinie und der ehemaligen B 43. Der dortige Pflegerückstand wurde aufgearbeitet, tote und absterbende Bäume entfernt, Altbäume stabilisiert, neue Bäume gepflanzt. Das kleine Waldgebiet zur B 43 hin ist jetzt eingezäunt, um Gefahren für Autofahrer durch Wildwechsel auszuschließen. Im ersten Pflanzjahr, so Klepper, habe es hier kaum Ausfälle gegeben und man habe auch keinen einzigen der alten Bäume verloren.
Der Kelsterbacher Wald ist nicht nur Wirtschafts- sondern auch Erholungsgebiet. Daher sollen dort im kommenden Jahr Schutzhütten, Fitness-Geräte, eine Aussichtsplattform und ein Wasserpfad errichtet werden. Auch sollen Fußgänger und Radfahrer bald die viel befahrene Okrifteler Straße leichter überqueren können. Auf Nachfrage von Reinhold Hörner, ob eine Verbesserung geplant sei, bejahte dies Bürgermeister Ockel. Der Kreis Groß-Gerau habe zwar kein Geld für den Bau eines sicheren Übergang. Allerdings wolle die Fraport AG finanzielle Unterstützung leisten. Derzeit werde noch geprüft, ob eine Ampel oder eine Verkehrsinsel eingerichtet werden. „Aber es wird bald etwas passieren“, versprach Ockel. (nad)

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