Mama lernt jetzt Deutsch

Während die Kinder in der Schule sind, besuchen die Mütter einen Sprachkurs

WIE HEISSEN SIE? Im Deutschkurs für Frauen lernen die Teilnehmer aus verschiedenen Ländern die Sprache für den alltäglichen Gebrauch. (Foto: Scherer)

Kelsterbach.  „Guten Morgen. Ich heiße Fatma. Wie heißen Sie? Und wo wohnen Sie?“ Mit einfachen Fragen interviewen sich die Mütter gegenseitig. Es ist eine lockere Sprachübung zum Kursbeginn, anschließend geht es um verschiedene Nomen und die dazugehörigen Artikel. Und während die Frauen in Ruhe lernen, sind die Kinder gut versorgt – entweder in einer ehrenamtlich organisierten Betreuung, in der Kindertagesstätte oder in der Grundschule.

Seit Mai 2015 gibt es einen Deutschkurs speziell für Frauen mit Klein- und Grundschulkindern. Ein Mal in der Woche lernen Frauen aus verschiedenen Ländern für zwei Stunden in den Räumen der Schulkindbetreuung der Karl-Treutel-Schule gemeinsam Deutsch.
Da die Nachfrage groß war, startete im September ein zweiter Kurs in der Bürgermeister-Hardt-Schule für Mütter, deren Kinder in diese Schule oder in die Kita St. Martin gehen. Beide Kurse werden gut angenommen, im Schnitt besuchen jeweils 17 Mütter regelmäßig den Unterricht.
Auch Manar Habib aus Syrien und Sampicha Azizoglou aus Griechenland sind seit einem halben Jahr dabei. Sie finden es gut, dass es das Angebot gibt und kommen jede Woche. „Deutsch ist schon eine sehr schwere Sprache“, sagt Manar Habib lachend. Aber es mache ihr Spaß, in der Gruppe zu lernen, so die Syrerin, die vor einem Jahr nach Deutschland kam. Vor allem beim Einkaufen aber auch mit den Kindern spreche sie Deutsch, verrät Sampicha Azizoglou. Das sei ihr wichtig, weil sie ja hier lebe.
Den Unterricht leitet Ruth Klein, die als ausgebildete Kursleiterin für Deutsch als Fremdsprache und Alphabetisierung über die entsprechende Erfahrung verfügt. Zudem ist Klein seit Februar 2015 die Koordinatorin für Sprachförderung an den Kelsterbacher Kitas.
„Es hat viel mit der Sprachförderung der Kinder zu tun, wenn auch die Mütter einbezogen werden“, so Klein. Damit möglichst viele Frauen das Angebot annehmen, sind die Kurse kostenlos und in den sozialen Kontext von Schule und Kita eingebunden.
Wie Klein betonte, lernten einige Frauen auch bedingt durch die Stundenzahl nicht so schnell wie in einem VHS-Kurs, allerdings auch ohne den Druck, dass am Ende ein Test stehe. Da sie nicht ein Programm abarbeiten müsse, könne sie auch spontan auf Fragen der Frauen eingehen und den Unterricht danach ausrichten, so Klein. Der Ansatz sei in erster Linie, dass der Deutschkurs den Frauen Spaß mache und sie später das Zutrauen finden, einen Intensivkurs in Rüsselsheim oder Groß-Gerau zu besuchen, so Klein.
Die Frauen, darunter Flüchtlinge, kommen unter anderem aus Afghanistan, Pakistan, Somalia, Portugal, Syrien und dem türkischsprechenden Raum Griechenlands. Vermittelt wird vor allem der Wortschatz für den alltäglichen Gebrauch, es gibt Sprach- und Schreibübungen. Eine Herausforderung für die Kursleiterin ist, dass einige Frauen Analphabetinnen sind.
Um diese und die Teilnehmerinnen, die bereits etwas weiter sind, bestmöglich zu unterrichten, werden die Frauen im Laufe des Unterrichts in zwei Gruppen aufgeteilt und widmen sich unterschiedlichen Aufgaben. Unterstützt wird Ruth Klein dabei von der ehrenamtlichen Helferin Angelika Jakobi.
Dass es den Sprachkurs für Mütter überhaupt gibt, ist auch Agneta Becker vom Verein Kleeblatt zu verdanken. Ihr war aufgefallen, dass in den von ehrenamtlichen Helfern organisierten Deutschkursen für Flüchtlinge fast nur Männer saßen. Auf Nachfrage habe sie dann erfahren, dass die Frauen gerne Deutsch lernen würden, jedoch auf die Kinder aufpassen müssten, so Becker. „Es war einige Überzeugungsarbeit nötig, da hier die Rollen von Männern und Frauen oft klassisch verteilt sind“, erinnerte sich Becker. „Ob einkaufen oder der Arztbesuch, das machen alles die Männer.“
Dabei gehe es in den Kursen auch darum, den Frauen das nötige Selbstbewusstsein für alltägliche Erledigungen zu vermitteln. Und nachdem eine Kinderbetreuung während der Kurse sichergestellt war, hätten die Männer auch kein Problem mehr damit gehabt, erklärte Agneta Becker, die sich während der Kurse um die Kinder der Frauen kümmert.
Wichtig sei neben dem Lernen der Sprache auch die soziale Komponente der Deutschkurse. Hier könnten sich die Frauen auch mal über ihre Sorgen, die Heimat oder die Kinder austauschen, betonte Agneta Becker. (nad)

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